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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Aureljo am Ende. Er zitiert die Stelle aus der Chronik, die auch mir das meiste Kopfzerbrechen bereitet:
    Das Wichtigste haben wir ihnen verschwiegen: dass wir den Tod in unserer Gewalt haben. Den Tod, der für sie vorgesehen war. Dass wir geflohen sind, um sie zu schützen.
    »Der Clan sollte vernichtet werden und Jordan, Chendar und die anderen haben ihn gerettet. Ganz offensichtlich. Außer …«
    Ich weiß, was er denkt. Nirgendwo ist der Name Schwarzdorn erwähnt. Haben die Sphären ihren Plan am Ende doch noch in die Tat umsetzen können? Haben die Dornen die verlassenen Wohnstätten eines ausgerotteten Volkes übernommen?
    »Wir sollten endlich mit Quirin darüber sprechen«, schlage ich vor. »Er ist schließlich ein Bewahrer, nicht? Er hortet Wissen und er ist alt genug – er könnte Jordan noch gekannt haben. Wir hätten ihm die Seiten längst zeigen sollen.«
    Aureljo und Dantorian wechseln einen Blick.
    »Seine Zeit ist ohnehin immer so knapp«, sagt Dantorian. »Wir sind froh, wenn er es schafft, uns mit den Vorbereitungen für das Projekt zu helfen.«
    Das Projekt. Die hübsche Umschreibung ihres Selbstmordplans.
    »Du vergisst, dass auch die Exekutoren hinter der Chronik her sind«, erwidere ich. »Bestimmt nicht aus Nostalgie. Etwas, das Jordan geschrieben hat, interessiert sie so sehr, dass sie Fleming darauf angesetzt haben, das Buch zu suchen.« Und es hatte etwas mit unserem angeblichen Verrat zu tun. Hätten wir die Chronik vollständig vorliegen, könnten wir uns zusammenreimen, weswegen wir sterben sollten, da bin ich ganz sicher.
    In unseren ersten Tagen unter der Stadt, als ich kaum einen Ton aus meiner gequetschten Kehle bekam, verbrachte ich viel Zeit damit, mir den gesamten Nachrichtenwechsel, den wir auf Flemings Salvator gefunden hatten, wörtlich einzuprägen.
    Neuer Auftrag: Es gibt Hinweise darauf, dass sich ein Buch in den Händen des Clans befindet, das für uns von Bedeutung ist. Der Titel lautet Jordans Chronik . Finde es, dann betrachten wir deinen Einsatz als Erfolg .
    Die Chronik in seinen Besitz zu bringen, war Flemings Auftraggeber wichtig. Nicht ganz so wichtig wie unser Tod, aber beinahe. Ich bin überzeugt davon, dass niemand in den Sphären ahnt, dass es längst kein Buch mehr gibt, sondern nur noch einzelne Seiten, versteckt in einem Bibliotheksspeicher von fast unendlich scheinendem Ausmaß.
    Wir verbringen den restlichen Tag mit Warten. Wir wissen, dass es oben Schwierigkeiten gibt, wahrscheinlich wird sogar gekämpft. Doch unser Gewölbe ist so tief unter der Erde, dass wir nichts davon mitbekommen – kein Waffenklirren, keine Schreie. Die Ungewissheit macht mir zu schaffen, lässt meine Fantasie Kapriolen schlagen. Aureljo ist ebenfalls unruhig; eine Zeit lang wiederholt er die Körperübungen, die wir in den Sphären gelernt haben, aber er hört etwa in der Hälfte des Programms auf, setzt sich neben mich und legt mir einen Arm um die Schultern.
    »Ich warte, bis es Abend ist, dann gehe ich hinauf in die Halle. Ich muss mit Quirin sprechen. Wenn es unsere Anwesenheit ist, die die feindlichen Clans anlockt, werden wir so bald wie möglich aufbrechen. Uns notfalls an einem anderen Ort verstecken, bis unsere Projektvorbereitungen abgeschlossen sind.«
    Aureljos Nähe ist mir so vertraut. Sein Geruch, die Stelle an seiner Schulter, an die mein Kopf sich lehnt. Die Vorstellung, wie verletzt er sein wird, wenn ich ihm von Sandor erzähle – von Sandor und mir –, macht mir das Atmen schwer.
    »Ich komme mit zu Quirin. Wenn genug Zeit ist, kann ich ihm endlich die Seiten aus der Chronik zu lesen geben.«
    Als wir aufbrechen, ist Tycho noch nicht wieder zurück. Unser Vorhaben findet allerdings ein schnelles Ende: Fiore fängt uns schon auf halbem Weg ab, sie sitzt im dämmrigen Schein einer Sentinel-Lampe vor der Tür, die zu den Tiefspeichern führt.
    »Wir haben im Moment wichtigere Probleme als euch«, erklärt sie in ihrer üblichen schroffen Art. »Seit Mittag wird gekämpft. Quirin, Bojan und die anderen haben alle Hände voll zu tun, die Verwundeten zu versorgen. Seid also so nett, geht zurück in eure Kammer und verhaltet euch still.«
    Was mir einen Stich versetzt, ist nicht der Ärger über ihre herablassende Art. Ich brauche einen Moment, um das Gefühl zu identifizieren. Es ist Sorge. Um Sandor. Ich möchte gern fragen, ob er unter den Verletzten ist, weiß aber genau, wie merkwürdig das klingen würde. Welche Schlüsse jeder Dummkopf daraus ziehen

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