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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Blutungen stillen, Druckverbände anlegen und Wunden säubern. Eine gute Assistentin bin ich allemal. Der Gang, den ich nun entlangrenne, befindet sich über der Erde. Draußen ist es schon dunkel, ich kann nur hoffen, dass mich keiner sieht. Im Laufen wickle ich mir mein Halstuch ums Gesicht; im schlimmsten Fall hält man mich damit für einen Nachtläufer. Aber nicht für einen Liebling.
    Glatter Boden, beinahe rutsche ich aus. Doch da vorne liegt schon die Treppe, die in Quirins Reich führt, es sind nur ein paar Stufen. Fiore und Bojan drehen sich kein einziges Mal nach mir um, sie sind oben angelangt und hasten durch die geöffnete Tür.
    Dann sehe ich das Blut. Breite Schlieren, die sich über die Treppe ziehen, verwischt von zahlreichen Fußspuren. Mein Puls schlägt so hart in meinem Kopf, dass ich nichts weiter höre. Trotz meiner Eile gebe ich mir alle Mühe, nicht in Blut zu treten, sondern nur auf grauweißen Stein. Als könnte ich dadurch ein Unglück verhindern, das längst passiert ist.
    Erst als ich Quirin vor dem improvisierten Lager in der Mitte des riesigen Saals knien sehe, bleibe ich stehen. Er ist es also nicht, dem die allgemeine Sorge gilt. Dann …
    Es riecht nach warmem Metall, ein Geruch, der mich schwindelig macht. In den Medcentern unserer Sphären war er immer von den alkoholisch-chemischen Dämpfen der Desinfektionsmittel überlagert; hier schlägt er mir pur entgegen. Ich befehle mir, jetzt nicht schlappzumachen.
    Fallender Schnee. Ein lautlos fliegender Vogel. Wasser, das über runde Steine fließt.
    Es funktioniert, mein Kopf wird klarer, mein Magen beruhigt sich. Ich werde zu den anderen gehen und hilfreich sein.
    Ich habe erst drei Schritte gemacht, als mir etwas ins Auge sticht: ein Kleidungsstück, das ich kenne. Eine verschlissene Lederjacke, auf die unterschiedliche Sentinel-Rangabzeichen genäht sind. Über das rechte Brustteil verläuft ein langer Schlitz, rundherum ist der Stoff dunkel verfärbt.
    Ich bin so erleichtert, dass meine Knie fast nachgeben. Das ist nicht fair, natürlich nicht, und ich werde mich gleich wieder so weit im Griff haben, dass ich helfen kann. Aber einige Sekunden lang stehe ich einfach nur da und atme tief durch.
    Es ist Vilems Jacke. Seinetwegen sind Fiore und Bojan gerufen worden. Der Clanfürst ist schwer verletzt – wenn ich die Spuren an seiner Jacke richtig deute, muss er einen tiefen Schnitt in der Brust haben.
    Bisher habe ich kaum darauf geachtet, ob sich jemand im Raum befindet, der mich nicht sehen darf. Keiner der Anwesenden hat sich nach mir umgedreht, noch könnte ich also unerkannt verschwinden.
    Soweit ich erkennen kann, ist niemand hier, der nicht zu Quirins Leuten gehört. Also wage ich mich ein paar Schritte näher. Weiche den Blutspuren aus. Endlich sehe ich mehr.
    Vilem liegt auf dem Rücken, seine Augen sind geschlossen, sein Gesicht schneeweiß. Der lange braune Bart ist schief knapp unterhalb des Kinns abgeschnitten worden; damit er nicht in die Wunde hängt, vermute ich.
    Wenn ich es aus meiner Position richtig erkennen kann, dann hat Quirin mindestens zwei Finger in Vilems Brust versenkt und tastet darin nach inneren Verletzungen.
    Ich atme tief ein und aus. »Kann ich helfen?«
    Quirin lässt sich nicht so weit ablenken, dass er den Kopf drehen würde. »Ria. Gut. Ich glaube, die Klinge hat das Herz nicht getroffen, aber zwei Rippen sind halb durchtrennt, und wenn sich ein Knochensplitter in die Organe bohrt …«
    Er tastet weiter, beißt sich auf die Unterlippe. »Das Herz schlägt schnell, aber gleichbleibend kräftig. Er darf nur nicht noch mehr Blut verlieren.«
    Ich knie mich neben Fiore, die mit zwei Haken die Wunde aufhält, damit Quirin besseren Zugriff hat. Vilem ist bewusstlos, sonst müsste er verrückt werden vor Schmerz.
    Wie die Verletzung im Detail aussieht, lässt sich nicht sagen – man müsste das Blut absaugen, doch dazu fehlen die Instrumente und der Strom, um sie zu betreiben.
    Ich war noch nie bei der Versorgung einer solchen Wunde dabei und mir ist nach dem ersten Blick klar, dass ich mehr stören als helfen würde.
    »Die Flasche mit dem grünen Verschluss und die Tücher, die daneben liegen. Schnell«, befiehlt Quirin. »Dann geh zurück, Ria. Zu den anderen.«
    Ich springe auf und hole ihm, was er verlangt. Nur gehen werde ich nicht. Ich will zusehen, lernen, dabei sein, wenn sie Vilem retten.
    Erst sich nähernde Schritte von der Treppe her bringen mich wieder zur Besinnung. Wahrscheinlich

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