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Die Verschworenen

Die Verschworenen

Titel: Die Verschworenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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kann, kommt Quirin mir zuvor.
    »Wo hast du davon gehört? Ich hätte nicht gedacht, dass sich noch jemand daran erinnert.«
    Ich entschließe mich, ihm die Wahrheit zu sagen, in der Hoffnung, dass er mir meine Ehrlichkeit mit gleicher Münze zurückzahlen wird. »Ich habe ein Gespräch belauscht, zwischen dem Rektor unserer Akademie und einem Sentinel. Einem Exekutor, um präzise zu sein. Der erwähnte Jordans Chronik und es hörte sich so an, als hätte dieses Buch etwas mit uns zu tun. Als wäre darin erklärt, warum wir getötet werden müssen.«
    Ich beobachte Quirin genau. Sein Atem geht ruhig, er runzelt nicht die Brauen, nimmt keine Abwehrhaltung ein. Nichts an seiner Reaktion lässt darauf schließen, dass meine Erklärung ihn überrascht oder dass er sie lächerlich findet. Aber er strahlt Interesse aus, wie ein Heizelement Wärme.
    »Das ist eine eigenartige Annahme. Hast du eine Theorie?«
    »Nein. Gar keine.«
    »Aber du denkst, ich könnte dir weiterhelfen?«
    »Ich halte es für möglich.«
    Er lächelt und schüttelt bedauernd den Kopf. »Leider nicht. Ich hätte sie selbst gern gelesen, aber es handelt sich dabei nicht um ein gedrucktes Buch, von dem es jede Menge Exemplare gibt, sondern tatsächlich um eine Chronik. Ein Tagebuch, mit der Hand geschrieben.«
    Jetzt wäre der Moment, um die eine Seite, die ich immer noch im Ärmel versteckt habe, hervorzuholen und sie Quirin zu zeigen. Aber wie viel besser wäre es, wenn ich noch dreißig, vierzig, fünfzig weitere Seiten hätte und sie ihm chronologisch geordnet vorlegen könnte? Keine schlechte Idee. Doch der wahre Grund für mein Zögern ist ein anderer: Ich vermute, Quirin würde meinen Fund an sich nehmen. Mit Recht, es ist seine Bibliothek.
    Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Es ist schon merkwürdig. Die Chronik war im Besitz der Dornen, nicht? Das meinte jedenfalls der Exekutor. Und wir, die angeblichen Verräter, die zum Wohl der Sphären dringend sterben sollen, landen ebenfalls bei den Dornen. Zufälle dieser Art haben mich schon immer stutzig gemacht.«
    Quirin scheint es ähnlich zu gehen. Er blickt zur Seite, zu den Totenschädeln in ihrer Nische, und schüttelt den Kopf, als würde er einen Gedanken verwerfen.
    Ich nutze die Gelegenheit, wähle meine Worte aber besonders vorsichtig – so als hätte ich keinen der Chronik-Einträge jemals zu Gesicht bekommen. »Hast du Jordan gekannt? Hat er hier gelebt?«
    Quirin wendet seine Aufmerksamkeit von den Schädeln ab und mir zu. Er lächelt, voller Wärme. »Ja. Er lebte noch, als ich ein Kind war, und ich mochte ihn sehr. Ein freundlicher Mann, der wunderbare Geschichten erzählen konnte. Er war wie ihr. Ein Flüchtling aus den Sphären und er hatte es nicht leicht hier. Ein Teil des Clans hat ihm vertraut, aber die anderen haben ihn immer nur als Feind betrachtet.«
    Ich verstehe die Botschaft zwischen den Zeilen. Euch wird es genauso gehen, wenn ihr bleibt. Aureljo trifft die richtige Entscheidung . Doch diese Frage habe ich für mich längst geklärt.
    »Hat er je erzählt, warum er fliehen musste?«
    Ich habe den Eindruck, dass Quirin es weiß, es mir aber nicht sagen möchte. Wieder betrachtet er nachdenklich die Totenschädel in der Wand neben uns. Schließlich gibt er sich einen Ruck. »Er hatte etwas herausgefunden, das er nicht hätte herausfinden sollen, und war in einen Gewissenskonflikt geraten. Schon damals waren die Sphären daran interessiert, die Außenwelt von den Clans und Stämmen zu säubern. Jordan war damit nicht einverstanden, und als er begriff, dass seine offene Auflehnung gegen die Ausrottung der Außenbewohner ihn zum Verräter stempelte, floh er aus seiner Heimatsphäre.«
    Verräter. Da ist es wieder, dieses Wort, und es verbindet uns mehr denn je mit Jordan. Nur, dass wir im Gegensatz zu ihm nie am System gezweifelt, sondern es mit all unserer Kraft unterstützt haben. Wir wussten ja nicht einmal von den Verbrechen an den Clans, wären also nie geflohen, wenn man uns nicht hätte umbringen wollen.
    Einen Moment lang überlege ich, ob es etwas mit unseren Genen zu tun haben könnte. Dass man im Reproduktionscenter einen Fehler gemacht und uns aus Restbeständen von Jordans Erbmaterial gezeugt hat. Aber das ist Unsinn. Niemand hätte die Gene eines Verräters verwertet; außerdem wird das vorhandene Material immer optimiert, bevor es befruchtet wird. Und selbst im Fall eines solchen Fehlers hätte man uns lediglich hinuntergestuft, unsere

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