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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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ihrem Begleiter nach. Er fuhr eine marineblaue BMW-Limousine, ein Wagen, der sich leicht verfolgen ließ, wenn man es darauf abgesehen hatte. Gut, dass ich ihr Angebot, mich mit zu nehmen, abgelehnt hatte.
    Dann beobachtete ich die Straße ungefähr fünf Minuten lang durch das kleine, drahtverstärkte Fenster. Wer wusste schon, ob ich nicht doch beschattet wurde? Schließlich ging ich zur nächsten Straßenecke und ließ den Skylark auf dem Parkplatz stehen.
    Elton verkaufte das Streetwise -Magazin in der Nähe der Hochbahnhaltestelle. Ich kaufte ihm ein paar Hefte ab; seine geröteten Augen musterten mich neugierig. »Heut' hab' ich ein paar Typen vor dem Haus rumhängen sehen«, flüsterte er nur mit bedeutungsschwangerer Stimme zu. »Streetwise, Miss, Streetwise, Sir - lesen Sie den Artikel über den Bürgermeister und die Obdachlosen am Lower Wacker Drive... die hatten 'nen ziemlich neuen braunen Wagen, vielleicht 'nen Honda. Da, sie kommen gerade die Leavitt Street hoch, direkt hinter Ihnen. Streetwise, Sir, danke, Sir.«
    Ich hastete die Stufen zur Hochbahn hinauf und suchte dabei in meinem Geldbeutel hektisch nach Münzen für den Fahrscheinautomaten. Unter mir blieb der braune Honda stehen. Ich riss das Ticket aus dem Automaten und schob die anderen Leute, die ebenfalls zur Bahn wollten und mich wegen meiner Unhöflichkeit beschimpften, beiseite. Ein Zug in südlicher Richtung setzte sich gerade in Bewegung. Ich drückte die sich bereits schließende Tür noch einmal auseinander und wurde wieder beschimpft, diesmal vom Fahrer. Dann sprang ich in den Wagen, und wir fuhren los.
    Ich stieg erst im Loop wieder aus, wo ich ganz langsam um Marshall Field's herumging und die Bademoden in den Schaufenstern an der State Street sowie die Gartenmöbel am nördlichen Ende des Kaufhauses bewunderte. Die untergehende Sonne ließ die Schaufenster zum Spiegel werden, in dem ich die Leute hinter mir beobachten konnte. Offenbar schenkte mir niemand besondere Aufmerksamkeit.
    Nach einer Weile ging ich wieder die Stufen zur Hochbahn hinauf und stieg in einen stadtauswärts fahrenden Zug der Blue Line. Während ich mich in meinem Büro in Selbstmitleid gesuhlt hatte, war mir ein Gedanke gekommen. Ich fuhr bis zur California-Haltestelle, die im Herzen von Humboldt Park lag. Die sechs Häuserblocks bis St. Remigio ging ich zu Fuß.
    St. Remigio war ein viktorianisches Backsteinmonstrum, das um die Jahrhundertwende gebaut worden war, als in Humboldt Park noch viele Italiener gelebt halten. Wer auch immer Remigio gewesen war - seine Wunderkraft hatte nicht ausgereicht, das Gebäude zu beschützen: Die großen Bogenfenster des Altarraums waren mit Brettern vernagelt, und an den alten Holztüren hingen schwere Ketten.
    Obwohl es schon ziemlich spät war, liefen auf dem umzäunten Schulhof immer noch kleine Jungen hinter einem Fußball her. Ein stämmiger Mann mit schütterem weißem Haar übertönte ihre Rufe mit Anweisungen in spanischer Sprache. Nach ein paar Minuten sah er mich an dem verschlossenen Tor stehen, kam zu mir und fragte mich auf spanisch, was ich wolle.
    »Ando buscando a el Padre«, erklärte ich ihm mit dem bisschen Spanisch, an das ich mich noch von der Schule her erinnerte.
    Er deutete auf den hinteren Teil der Kirche und redete dabei so schnell, dass ich ihn nicht verstand. Bevor ich ihn bitten konnte, es zu wiederholen, kamen schon zwei der kleinen Jungen zu ihm gerannt, zupften an seinem Ärmel und forderten ihn auf - zumindest verstand ich das so -, einen Streit zu schlichten. Ich war sofort vergessen.
    Ich ging an der Vorderseite der Kirche vorbei und entdeckte einen schmalen Fußweg, der zur hinteren Seite führte. Teile des Bürgersteigs fehlten, aber immerhin hatte jemand versucht, die Gegend ein wenig ansehnlicher zu machen. Ein paar magere Rosenbüsche standen um eine deprimierend wirkende Statue herum, die vermutlich St. Remigio selbst darstellen sollte. Ich nahm die leere Flasche Four Roses, die hinter ihm stand, und sah mich nach einem Abfalleimer um. Als ich keinen fand, steckte ich sie schließlich in meine Handtasche, weil ich den Priester nicht mit einer Whiskeyflasche in der Hand besuchen wollte, und drückte auf eine Klingel, unter der VATER LOU stand.
    Nach einer ganzen Weile, in der ich allmählich den Verdacht bekam, dass der Fußballtrainer nur erklärt haben könnte, Vater Lou sei nicht da, hörte ich plötzlich ein heiseres Krächzen. Ich hatte die Gegensprechanlage links von der Tür

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