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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Kilometern und 'nem Dodge mit ein bisschen weniger aufm Buckel, aber wahrscheinlich mit mehr Rost. Wann kommen Sie wieder zurück? Soll ich mir die Autos ohne Sie anschauen, oder was?«
    »Genau, Mr. C. Suchen Sie sich den Wagen Ihrer Träume aus, dann fahre ich mit Ihnen in der neuen Kiste zum Essen ins Berghoff.«
    Die Hunde waren davon überzeugt, dass ich vorhatte, zum See zu gehen, und versuchten, mich zu begleiten, aber ich machte ihnen die Tür vor der Nase zu. Der Weg zur Hochbahn brachte mich wieder ins Schwitzen. Die zweite Dusche hätte ich mir sparen und dafür etwas frühstücken können.
    Ich betrat den Bahnsteig der Red Line in südlicher Richtung. Die Red Line. Ein paar Jahre zuvor hatte die Stadtverwaltung die Züge mit einem Farbcode versehen. Früher hatte man sich an den Schildern orientiert, die die Endhaltestelle angaben, doch plötzlich war aus der Howard Line, mit der ich mein ganzes Leben lang gefahren war, die Red Line geworden, und aus der O'Hare Line wurde die blaue. Plötzlich wirkte Chicago nicht mehr wie eine Großstadt, sondern wie ein Provinznest. Und was war, wenn man farbenblind war? Woher sollte man dann wissen, ob man sich in der Brown oder der Orange Line befand? Um die Sache noch schlimmer zu machen, hatte die Verwaltung Fahrkartenautomaten installiert. Jetzt musste man eine Rückfahrkarte kaufen, auch wenn man nur eine einfache brauchte; die Automaten gaben kein Wechselgeld, und es standen nirgendwo Menschen, die einem halfen, wenn man aus Versehen den falschen Bahnsteig erwischte.
    Und noch eins: Wenn der Zug dann schließlich eintraf, funktionierte die Klimaanlage nicht. Ich ließ mich auf einen Sitzplatz sinken, zu verschwitzt, um einen weiteren Gedanken aufs Make-up zu verschwenden. Meinen Blazer legte ich ordentlich auf meinen Schoß und versuchte, die fünfzehnminütige Fahrt absolut bewegungslos dazusitzen. Ich fuhr gerade an der Randolph Street die Rolltreppe hoch, als Cynthia Dowling mich aus Max Loewenthals Büro anrief. »Vic, ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten. Die Frau ist im OP gestorben.«

Die Probleme anderer Leute
    Der diensthabende Arzt war Dr. Szymczyk gewesen. Die Frau auf der Straße hatte nicht nur einen gebrochenen Arm und schwere Quetschungen an beiden Beinen gehabt, und so war es gar nicht so leicht gewesen, die Todesursache auszumachen. Nach einem Blick auf die Röntgenaufnahmen allerdings war Dr. Szymczyk zu dem Schluss gekommen, dass die Unterleibsverletzungen am schwerwiegendsten gewesen waren.
    Cynthia las mir den Befund des Arztes vor:
    Die Patientin litt unter fortgeschrittener Bauchfellentzündung, der gesamte Bauchraum war mit Kot gefüllt. Es war zu spät, ihr noch zu helfen. Der Zwölffingerdarm war gerissen, wahrscheinlich bereits, bevor der Arm brach, denn der Bruch sah ziemlich frisch aus. Die Gerichtsmedizin wird klären müssen, wann und wie der Frau die Verletzungen zugefügt wurden.
    »War es das, was Sie hören wollten, Vic?«
    Arme Frau, dachte ich, was für ein schreckliches Ende. »Sie haben nichts gefunden, was zu ihrer Identifizierung beitragen könnte? Wissen Sie, wann sie in die Gerichtsmedizin geschickt wurde?«
    »Augenblick ja, hier steht's. Dr. Szymczyk hat den Zeitpunkt des Todes für sieben Uhr zweiundfünfzig eingetragen. Dann wurde die Polizei gerufen, und die Frau wurde um halb elf ins Leichenschauhaus gebracht.«
    Ich blieb mitten auf dem Gehsteig stehen. Ein paar Jahre zuvor hatte ich mir geschworen, mich nicht mehr in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen, weil mir das ohnehin niemand dankte oder zahlte. Und ich hatte keine Lust, diesen Schwur jetzt zu brechen.
    Eine Frau, die in Richtung State Street eilte, stieß mit mir zusammen, so dass die Handyverbindung unterbrochen wurde. »Bloß, weil Sie ein Handy haben, gehört Ihnen noch nicht die ganze Straße!« rief sie mir über die Schulter zu.
    Aggression auf dem Gehsteig, das war wohl die neueste Form der städtischen Unhöflichkeit. Ich steckte das Telefon in meine Aktentasche und ging in das Gebäude der Firma Continental United. Die gewölbten Glaswände reflektierten die anderen Hauser, drinnen herrschte arktische Effizienz. Der Schweiß in meinem Nacken und unter meinen Achseln trocknete sofort. Vor Kälte zitternd fuhr ich mit dem Aufzug nach oben.
    Wahrend einer Besprechung, in der es um die Einstellung eines neuen Leiters der Papierabteilung sowie um die Kontrolle von Lieferwagen aus dem Werk in Eustace, Georgia, ging, dachte ich darüber

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