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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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nach, welche Offenbarungen das Fasten dem Menschen brachte. Seit den Snacks auf dem Fest vom Vorabend war der Apfel, den ich mir auf dem Weg nach draußen geschnappt hatte, das einzige gewesen, was ich gegessen hatte. Von wegen erhöhte Wahrnehmung! Ich musste die ganze Zeit ans Essen denken.
    Allerdings versuchte ich, interessiert und freundlich zu wirken, und hoffte, dass das allgemeine Gemurmel meinen knurrenden Magen übertönte. Zum Glück hatte ich schon so viele ähnliche Besprechungen hinter mir, dass es mir nicht schwerfiel, hin und wieder eine intelligente Zwischenfrage zu stellen, über die müden Scherze des stellvertretenden Leiters der Personalabteilung zu lachen und schließlich zu versprechen, dass ich die Nachforschungen innerhalb von drei Tagen zu einem Ergebnis bringen würde, vorausgesetzt, ich musste nicht nach Georgia.
    Als die Konferenz um vier zu Ende war, lief ich im Flur Darraugh Graham höchstpersönlich über den Weg. Die Höflichkeit, aber auch die Tatsache, dass ich weitere Auftrage von ihm brauchte, zwangen mich dazu, mich mit ihm über seinen Sohn, über die politische Situation in Italien, wo er ein großes Werk besaß, und über den Auftrag zu unterhalten, den ich soeben bekommen hatte. Ich konnte mich glücklich schätzen, dass Darraugh weiterhin mir treu blieb und nicht einen meiner großen Konkurrenten wie Carnifice beauftragte. Natürlich stellte Carnifice die Sicherheitskräfte, die Continental United zum Schutz der Geldtransporte brauchte. Soweit ich weiß, hat sich das Unternehmen auch um den Personenschutz gekümmert, als Darraugh vergangenen Winter in Argentinien war. Aber er verschafft mir immer noch eine ordentliche Menge Arbeit, für die mehr Kombinationsgabe als Muskelmasse nötig ist - da bin ich es ihm schuldig, mir seine privaten Probleme anzuhören.
    Er legte mir kurz die Hand auf die Schulter und schenkte mir zum Abschied ein kurzes Lächeln. Daraufhin hastete ich zum Aufzug und stürzte mich unten im Eingangsbereich sofort auf den Stand, wo es gefrorenen Joghurt zu kaufen gab, Schokolade und Vanille mit Nüssen, Früchten und kleinen Waffelstückchen. Frühstück und Mittagessen in einem riesigen Becher. Ich setzte mich auf einen der spindeligen Stühle, um meine Pumps aus- und meine Laufschuhe anzuziehen.
    Man kann mich mit kleinen Dingen glücklich machen: Ein bisschen Essen und Behaglichkeit reichen im Regelfalle schon.
    Nachdem ich genug gegessen hatte, um meinen Blutzuckerspiegel auf Vordermann zu bringen, rief ich Luke an und fragte ihn nach meinem Wagen. Meine gute Laune verflog auf der Stelle. Seiner Schätzung nach würden sich die Reparaturkosten auf zweitausendneunhundert Dollar belaufen.
    »Freddie hat ihn für dich zu Cheviot geschleppt und ihn sich angesehen, wie er ihn da abgeladen hat. Die Vorderachse und der Kühlergrill sind verbogen, und wie Freddie hingekommen ist, hatten sich die Leute aus der Gegend schon die Batterie, das Radio und ein paar Reifen gekrallt. Und bevor du zu jammern anfängst: 'ne große Werkstatt würde dir mindestens 'nen Tausender mehr abknöpfen.«
    Ich sank auf den Stuhl zurück. »Ich hab' überhaupt nicht gejammert. Das Geräusch, das du eben gehört hast, waren meine letzten Kröten, die soeben gurgelnd im Golf von Mexiko verschwunden sind. Hast du in dieser Schätzung schon eingerechnet, dass ich dir damals geholfen habe, die Gangster von deinem Hof zu vertreiben?«
    »Du hast nichts getan, was ich nicht selber hätte machen können, Warshawski, aber ich weiß, dass du den Wagen nie im Leben reparieren könntest.«
    Ich verkniff mir eine bissige Bemerkung »Und was ist mit den Leuten von Cheviot? Was sagen die über den Wagen?«
    »Die werden dir frühestens morgen nachmittag Bescheid geben können. Ich habe hier einen Zettel von Rieff, der arbeitet bei Cheviot. Er sagt, sie brauchen den Obduktionsbericht über das Unfallopfer und am besten auch noch die Kleidung, die die Frau zum Zeitpunkt des Unfalls anhatte. Das wird dich noch mal mindestens 'nen Tausender kosten. Ich werde mit den Reparaturen natürlich erst anfangen, wenn die fertig sind und du mir grünes Licht gegeben hast. Aber weißt du was, Warshawski? Weil du mir damals mit den Gangstern geholfen hast, berechne ich dir das Abschleppen nicht.«
    »Luke, du bist die Großzügigkeit in Person.«
    Die Ironie hätte ich mir sparen können. »Eine Hand wäscht die andere.«
    Ich drückte auf den Aus-Knopf, bevor ich wütend werden konnte. Ich hatte drei Nächte

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