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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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- je länger wir warten, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Kleidung verschwindet.«
    Lotty bog an der Racine Avenue nach links ab, nachdem die Ampel auf Rot geschaltet hatte - sogar nachdem der Verkehr in östliche Richtung bereits durchbrauste - aber ich sagte kein Wort, damit sie nicht auch noch einen Bus oder einen Sattelschlepper schnitt.
    »Das können wir telefonisch von Max' Wagen aus erledigen. Das heißt, wenn es mir gelingt, ihn von Walter Huston und seinem Pferd abzulenken.« Ihr Tonfall wurde sarkastisch. »Max hat eine Vorliebe für alte Western, die im krassem Widerspruch zu seiner anderen großen Leidenschaft, der für chinesisches Porzellan, und auch zu Lottys Geschmack steht.«
    »Du wirst dir also einen Western antun, bloß weil Max diese Filme liebt?« Ich grinste sie an, als sie den Wagen vor meinem Haus anhielt. »Nun, Lotty, du hast zwar mehr als sechzig Jahre gebraucht, aber jetzt lernst du endlich, dich der männlichen Autorität voller Anmut zu unterwerfen.«
    »Also weißt du, Vic, musst du das wirklich so ausdrücken?« schnaubte sie und beugte sich dann über den Sitz, um mir einen Kuss auf die Wange zu drücken. »Bitte unternimm keine gewagten Schritte in diesem Fall. Du bist mitten in einem Sumpf, meine Liebe, da ist es wichtig, dass du genau aufpasst, wo du hintrittst. Versprochen?«
    Ich ließ mich einen Augenblick länger von ihr drücken. »Versprochen. Ich werde versuchen, vorsichtig vorzugehen.«
    »Ich rufe dich morgen früh an, meine Liebe, wenn ich mit Max gesprochen habe.« Sie drückte mich noch einmal kurz und legte dann den Gang ein.
    Mr. Contreras wartete bereits auf der Vordertreppe auf mich. Er hatte den ganzen Tag am Telefon verbracht, um einen geeigneten Wagen für mich zu finden, und wollte unbedingt mit mir darüber reden. Er hatte einen alten Buick in Park Ridge aufgetrieben, den er für das günstigste Angebot hielt, und mit dem Verkäufer einen Besichtigungstermin für den Abend vereinbart - was bedeutete, dass wir zu einer schönen langen Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln kamen, weil ein Taxi bis nach Park Ridge mindestens vierzig Dollar kosten würde.
    Als Lotty über die Kreuzung gebraust war, war mir eingefallen, dass ich wahrscheinlich Schleuderspuren auf der Straße hinterlassen hatte. Und die wollte ich - natürlich vorausgesetzt, man konnte sie noch sehen - fotografieren, bevor es dunkel wurde. Mr. Contreras, der für solche Dinge immer zu haben war, rief den Besitzer des Buick an, um ihm zu sagen, dass wir uns ein bisschen verspäten würden. Ich ging mit den Hunden schnell einmal um den Häuserblock und holte dann meine Kamera und ein Vergrößerungsglas.
    Anschließend fuhren wir mit der Red Line zur Berwyn Avenue, die nur fünf Häuserblocks vom Unfallort entfernt lag. Das goldene Licht der untergehenden Sommersonne ließ die Straßen weniger heruntergekommen erscheinen als mitten in der Nacht. Ein paar Jungen radelten vorbei, manche von ihnen zu zweit auf einem Fahrrad, und wir sahen auch einige Skateboarder. Rollerskater gab es keine - die Inline-Skates findet man eher in der Welt der Yuppies weiter im Süden.
    Ecke Balmoral Avenue war eine Gruppe von Mädchen mit Seilhüpfen beschäftigt. Zwei davon trugen ein T-Shirt ä la Lacey Dowell und hatten die dunklen Haare wie sie nach hinten gekämmt -die Fühler von Global Entertainment reichten sogar bis in die Einwandererviertel.
    AIs ich mir die Straße genauer ansah, merkte ich, dass ich völlig umsonst gekommen war. Der Hydrant, den ich mit dem Trans Am erwischt hatte, war ein wenig verbogen, und noch nach fast achtzehn Stunden zeichneten sich Bremsspuren von meinen Reifen auf dem Asphalt ab. Aber es war nicht festzustellen, wo Nicola Aguinaldo gelegen hatte. Sie war noch nicht tot gewesen, also hatte niemand ihre Konturen mit Kreide nachgezeichnet. Ich fotografierte die Bremsspuren und den Hydranten mit Hilfe des Blitzes, weil es ohne bereits zu dunkel gewesen wäre.
    Die Mädchen hörten mit dem Seilspringen auf und starrten mich an. »Sie kennen Morrell, Miss?« »Fotografieren Sie mich auch, Miss?« »Nehmen Sie mich auch in das Buch. Miss? Morrell hat mit mir geredet, nicht mit ihr.«
    Sie begannen, sich in Positur zu stellen und einander wegzuschieben.
    »Wer ist denn Morrell?« fragte ich. Vielleicht war ja ein Polizeibeamter hier aufgekreuzt und hatte behauptet, er schreibe ein Buch.
    »Morrell schreibt ein Buch über Leute, die aus dem Gefängnis geflohen sind.«
    Ich starrte das

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