Die verschwundene Frau
leben.«
»Dafür reichen Ihre CDs nicht.«
»Ihre Leute waren ganz schön gründlich, was? Nun, dann würde ich vermutlich auf die Straße gehen und mir das Essen mit den anderen Obdachlosen teilen. Vielleicht könnte ich ja auf Ihren alten Schuhen kauen - ich meine, möglicherweise haben Sie ja einen von Ferragamo, an dem das Emblem fehlt und den Sie sowieso wegwerfen wollten.«
Er starrte mich an, ohne ein Wort zu sagen. Bevor ich nachbohren konnte, kam Claudia herein, um ihm zu sagen, dass die Konferenzschaltung mit Tokio hergestellt sei.
Ich lächelte. »Bis dann, Bob.«
»Ja, Ms. Warshawski. Ich bin mir sicher, dass wir uns wiedersehen werden.«
Die junge Frau, die mich bis vor Baladines Büro gebracht hatte, wartete bereits, um mich wieder zurückzubegleiten. Hatten sie vielleicht Angst, dass ich mich verirrte? Oder dass ich mir eins von den High-Tech-Spielzeugen von Carnifice unter den Nagel riss und möglicherweise noch ein paar Kunden dazu? Das fragte ich sie, aber natürlich untersagten die Regeln des Unternehmens es ihr, meine Frage zu beantworten.
Samstag im Einkaufszentrum
Das letzte pinkfarbene Licht erhellte den Himmel im Westen, als ich nach Hause fuhr. Ich ging noch einmal mit den Hunden spazieren und setzte mich dann zusammen mit Mr. Contreras in den Innenhof, bis die Mücken uns vertrieben. Wir sprachen darüber, wie die Cubs sich in den folgenden Spielen schlagen, ob Max und Lotty je heiraten würden und ob ein Knoten in Peppys Brust bedeutete, dass wir zum Tierarzt gehen mussten. Und die ganze Zeit überlegte ich, wie Nicola Aguinaldo wirklich gestorben war.
Baladine war beunruhigt genug gewesen, um mich nach Oak Brook zu zitieren und mir abwechselnd zu drohen und mich bestechen zu wollen. Vielleicht hatte der Sinn des Unternehmens lediglich dann bestanden, mir seine Stärke zu demonstrieren, aber dafür wirkte er eigentlich zu kultiviert. Hatte meine letzte Bemerkung über seine Schuhe ihn tatsachlich aus der Fassung gebracht oder hatte ich mir das nur eingebildet?
Und wer hatte sich Nicolas Leiche so schnell unter den Nagel gerissen? Ihre Mutter vielleicht oder Baladine, der nicht wollte, dass Vishnikov eine Obduktion an ihr vornahm? Das konnte ich mir kaum vorstellen, denn die Leiche war erst spät in der Nacht abgeholt worden, und Vishnikov hätte die Obduktion bis dahin schon längst hinter sich gebracht.
»Was denken Sie denn die ganze Zeit, Schätzchen? Jetzt frag' ich Sie schon das dritte Mal, ob Sie 'nen Grappa wollen, aber Sie starren in die Luft, als würde da draußen vor dem Fenster ein UFO rumfliegen.«
»Ich denke an die arme junge Frau auf der Straße«, sagte ich. »Wieso ist sie so wichtig? Man konnte meinen, dass sie eine flüchtige irakische Dissidentin oder so was Ähnliches ist, so wie die Leute sich um sie reißen.«
Mr. Contreras freute sich, sich mit mir über das Thema unterhalten zu können, doch eine Stunde später hatte ich immer noch nicht das Gefühl, mehr zu wissen. Schließlich erklärte ich ihm, ich müsse ins Bett, und ging nach oben. Es war noch nicht einmal zehn, aber ich fühlte mich zu erschöpft, um noch irgend etwas anderes zu tun als zu schlafen.
Am Samstag wachte ich so früh auf, dass ich ausgiebig joggen gehen konnte, bevor die Hitze sich über die Stadt senkte. Ich hatte sogar noch Zeit, kurz mit den Hunden zu schwimmen, und war trotzdem bereits um acht mit dem Duschen fertig.
Von den Frauen am Pool der Baladines war mir zwei Tage zuvor die Gattin von Teddy Trant noch am zugänglichsten erschienen. Vielleicht konnte ich sie im Lauf des Vormittags irgendwo treffen.
Es war mühsam, die gesamte Computerausrüstung im Büro zu haben. Wenn Carnifice mich schluckte, würde Baladine mir wahrscheinlich genug zahlen, um alles zu Hause zu installieren. Doch bis dahin musste ich ins Büro, um Informationen über die Trant-Familie zu erhalten. Ich wollte weder das Geld noch die Zeit investieren wie tags zuvor bei Baladine - schließlich brauchte ich nur Mrs. Trants vollständigen Namen und ihre Privatadresse. Ihr Vorname war Abigail, sie hatte den Namen ihres Mannes angenommen, und sie wohnten zusammen mit ihrer neunjährigen Tochter Rhiannon ein bisschen mehr als sechs Kilometer nordwestlich von den Baladines. Ich packle ein Fernglas, ein paar Tageszeitungen und eine Ausgabe des Streetwise-Magazins ein und machte mich mit dem Skylark wieder einmal auf den Weg in Richtung des Eisenhower Expressway und der westlichen Vororte.
Sobald ich
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