Die verschwundene Frau
dass ich mit dem Gedanken spielte, in den Laden für Sportmode zu gehen und mir eine neue zu kaufen, kam Abigail Trant endlich heraus.
»Bis nächste Woche dann, Mrs. Trant«, sagte der Türsteher und nahm sein Trinkgeld mit einem Kopfnicken entgegen.
Ich löste mich von der Mauer. Abigails blondgesträhntes Haar war sorgfaltig gekämmt, im genau richtigen Maß angedeuteter Unordnung, das Make up dezent und die Fingernagel schimmernd wie Perlen. In meinem verschwitzten Zustand auf sie zuzugehen, erschien mir fast wie ein Sakrileg, aber ich tat es trotzdem.
Sie wirkte erstaunt, rief aber nicht sofort nach einem Mann vom Sicherheitsdienst. Ganz offensichtlich erinnerte sie sich noch an meinen Besuch bei Eleanor Baladine zwei Tage zuvor. Doch wie sich schon bald herausstellte, hatte sie genug damit zu tun, sich mit dem Kindermädchen ihrer eigenen Tochter zu beschäftigen - über das von Eleanor wusste sie nichts.
»Wissen Sie, Teddy und ich sind erst vor achtzehn Monaten wieder nach Chicago gekommen - da war das Mädchen, das da neulich umgekommen ist, gar nicht da. Ich fürchte, ich kann Ihnen keine Fragen über sie beantworten.«
»Hätten Sie zehn Minuten Zeit für einen Kaffee und wären bereit, mir ein paar andere Fragen zu beantworten?«
Ganz kurz erschienen in ihren Mundwinkeln Grübchen. »Ich bin noch nie von einem Detective befragt worden - vielleicht hilft mir das, die Mädchen besser zu verstehen, die ich für die 'You-Can-Do-It' -Stiftung sponsere. Viele von ihnen sind schon vor der High-School das erste Mal festgenommen worden, normalerweise wegen Ladendiebstahls.« Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich habe knapp fünfzehn Minuten vor meinem nächsten Termin.«
In der Coffee-Bar war so viel los, dass wir uns gleich an die Theke setzten. Dort klärte Mrs. Trant mich über ein paar Dinge auf - sie war nicht allzuweit von hier aufgewachsen, hatte zusammen mit Jennifer Poilevy die Schule besucht und war höchst erfreut gewesen, als Global sie und ihren Mann von Los Angeles zurück in den mittleren Westen geschickt hatte.
»L. A. ist keine gute Stadt, um ein Kind aufzuziehen. Man lebt dort wie in einem großen Schaufenster, und die Kinder müssen sich viel zu früh an das Erwachsenenleben gewöhnen. Hier hingegen kann Rhiannon ein ganz normales Kind sein.«
Mit ihrem Schwimmtraining, ihrem Pferd und all den anderen Dingen, die das einfache Leben so mit sich brachte. Aber ich wollte, dass Abigail Trant mir weiterhalf, also behielt ich meine sarkastischen Gedanken für mich.
»Ich habe nicht den Eindruck, dass Eleanor Baladines Kinder auch so viel Freiheit haben«, sagte ich. »Obwohl ich glaube, dass die Mädchen das Schwimmtraining gar nicht so ungern machen.«
»Ich muss Eleanor wirklich bewundern. Es ist ein Glück, eine Begabung zu haben, die einen so vollständig ausfüllt. Und es ist großartig von ihr, dass sie Rhiannon ebenfalls unter ihre Fittiche genommen hat, insbesondere deshalb, weil Rhiannon allmählich besser wird als Madison. Aber ich persönlich bin der Meinung, dass es keinen Sinn hat, Kinder allzusehr anzutreiben. Wissen Sie, wenn sie erst in die Pubertät kommen, könnte sich das als Schuss vor den eigenen Bug erweisen.«
Ich brummte etwas Unverbindliches. »Sie haben gesagt, dass Sie mit Jennifer Poilevy aufgewachsen sind. Kennen Sie Eleanor Baladine auch schon seit Ihrer Kindheit?«
Nach einem kurzen Blick auf ihre Uhr erzählte mir Abigail Trant, sie habe Eleanor vier Jahre zuvor kennengelernt, noch bevor sie nach Oak Brook gezogen waren, als ihre beiden Ehemänner begonnen hatten, Geschäfte miteinander zu machen. »BB hat viele von Globals Sicherheitsfragen gelöst, und die beiden haben sich von Anfang an glänzend verstanden. Und natürlich ist Jean-Claude Poilevy uns sehr behilflich gewesen, als wir hierhergezogen sind.«
Ich konnte mir schon vorstellen, wie hilfreich der Speaker von Illinois House sein konnte, wenn jemand mit viel Geld auftauchte - da ließ sich schon mal der eine oder andere Bebauungsplan großzügig auslegen, Global kam in den Genuss von Steuervorteilen, für das Anwesen in Thornfield Demesne wurden spezielle Konditionen ausgehandelt. »Ich weiß, dass das Gefängnis Baladine sofort informiert hat, als Nicola Aguinaldo geflohen ist, also wusste Eleanor über ihren Tod Bescheid, bevor ich kam. Haben Sie eine Ahnung, warum sie so durcheinander war?«
Abigail zuckte mit den Achseln »Es ist ziemlich schlimm, wenn die Kinder so unmittelbar mit Gewalt
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