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Die verschwundene Frau

Die verschwundene Frau

Titel: Die verschwundene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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ebenfalls gesetzt hatte. »Ist schon merkwürdig für jemanden mit deiner Ausbildung. Hattest du denn genug von der Jura? Das kann ich natürlich verstehen, aber ich persönlich träume eher davon, mich auf eine Ranch zurückzuziehen.«
    »Du weißt ja, wie das ist, Sandy - Alex -, wenn man in die Jahre kommt, besinnt man sich plötzlich auf seine Wurzeln. Du bist von den Barrikaden runtergekommen, um in den Sitzungssaal zu gehen, und ich konnte die Finger nicht von der Polizeiarbeit lassen. Ich bin einfach zu sehr die Tochter meines Vaters.« Ich wandte mich Murray zu. »Sandy hat mich ständig kritisiert, weil ich nicht zusammen mit ihr bei den ganzen Demos mitgemacht habe. Sie hat mir erklärt, dass ein Mädchen aus der Arbeiterschicht wie ich in vorderster Front kämpfen sollte.«
    »Du musst lernen, dich von diesen alten Vorstellungen zu lösen. Schließlich sind wir jetzt in den Neunzigern. Jedenfalls hat Murray dich vorgeschlagen, als wir überlegt haben, wie wir Lacey aus einer prekären Situation heraushelfen könnten.«
    Nun ging es also doch um Brosamen von den Tischen des GlobalImperiums. Vielleicht war Murray unser Gespräch von neulich abend genauso peinlich gewesen wie mir, und er versuchte nun, die Sache wieder geradezubiegen. Ich konnte mir vorstellen, wie er zusammen mit Alex-Sandy beim Abendessen saß, im Filigree oder vielleicht auch im Justin's, dem neuen In-Lokal an der Randolph Streut, und sich zu Alex' bescheidenem Ausschnitt vorbeugte: Du kennst doch V. l., wie bissig sie schon immer gewesen ist. Aber sie hat mir bei ein paar Storys geholfen, die dazu beigetragen haben, meinen Ruf aufzubauen, und ich seh's nicht gern, wenn sie im Regen steht. Hat Global nicht irgend 'nen Job, den man ihr zukommen lassen könnte?
    »Global hat zig Anwälte, Privatdetektive und schwerbewaffnete Sicherheitskräfte zum Schutz seiner Stars«, sagte ich. Wahrscheinlich war ich einfach noch nicht hungrig genug, um mich auf die Brosamen von den Tischen der Reichen zu stürzen.
    »Nun, die Sache ist ein bisschen komplizierter«, meinte Murray, »jedenfalls soweit ich sie verstehe. Du warst ja am Dienstag abend im Golden Glow - vielleicht hast du das Problem sogar mitbekommen.«
    »Lucian Frenada«, mischte Alex sich ein. »Lacey war vor zwanzig Jahren wohl mal seine Jugendliebe, und er will einfach nicht einsehen, dass es vorbei ist.«
    Ich sah sie verständnislos an. »Und?«
    »Und wir wollen, dass du ihm das klarmachst, ihm erklärst, dass er aufhören muss, sie zu belästigen, sie anzurufen oder ihr in der Öffentlichkeit nachzustellen.« Alex' Stimme klang immer noch so zornig wie damals in ihrer Protestzeit. »Ich nehme keine Aufträge als Leibwächterin an und arbeite allein. In manchen Fällen ziehe ich andere Leute zur Unterstützung heran, aber wenn ihr wirklich hundert Prozent sicheren Personenschutz wollt, müsst ihr euch an ein Unternehmen wie Carnifice wenden.«
    »Es geht nicht um Personenschutz.« Alex stellte ihr Wasser auf dem Sofa neben sich ab. »Sie sagt, sie hat keine Angst vor ihm, aber die Sache ist ihr peinlich.«
    Ich verzog das Gesicht. »Murray, wenn du mir mit diesem Angebot einen Gefallen tun wolltest, dann vergiss es. Sie hat doch eurer Aussage nach keine Angst vor ihm - da kann sie auch mit ihm reden. Und wenn er sie weiter belästigt, hat Global sicher die nötigen Mittel, um ihn daran zu hindern.«
    »Damals im Studium warst du noch nicht so dumm«, fuhr Alex mich an. »Wenn das alles so einfach wäre, würden wir's selber erledigen. Die beiden waren in der Kindheit befreundet und haben einander verteidigt, wenn der Rest der Straße auf sie losgegangen ist. Sie erträgt's nicht, ihn zu verletzen, weil er sie mindestens einmal vor Übergriffen im Treppenhaus bewahrt hat. Und außerdem ist der Typ ein Bilderbuchunternehmer. Wenn die spanischsprachige Presse Wind davon kriegt, dass Global ihn absägen will, kriegen wir ganz schön Probleme, und natürlich wäre das auch nicht sonderlich gut für Laceys Image.«
    Murray spielte mit seinem Glas herum. Irgend etwas machte ihn nervös - ob es Alex' Überheblichkeit oder meine Gereiztheit oder die ganze Angelegenheit war, konnte ich nicht beurteilen.
    »Er hat also ein Unternehmen«, sagte ich. »Was für eins?«
    »Er stellt flippige Klamotten her«, sagte Murray. »Ausstattung für Kindermannschaften, T-Shirts für besondere Anlässe, solche Sachen. Zuerst hat er die Fußballtrikots für die St.-Remigio-Schule produziert, und von da an

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