Die Verschwundenen
nicht mehr zum Einschlafen zumute war.
*
»Womöglich war es ein Unfall«, gab Decker zu bedenken. »Und dann Fahrerflucht …«
Cotton schüttelte den Kopf. »Dafür war der Kerl viel zu zielstrebig. Wer immer in dem Wagen hockte, wollte mich erwischen.«
Er saß mit Philippa Decker und Mr. High in einem Besprechungsraum des G-Teams. High erhob sich. »Ich gehe davon aus«, sagte er, »dass Sie die Angelegenheit gründlich untersuchen werden.«
»Worauf Sie sich verlassen können, Sir«, erwiderte Cotton. »Die Sache ist persönlich. Wegen dieses Kerls steht mein privater Dodge in der Werkstatt!«
»Ich gehe mit Mr. Cotton die Fotos von Skalskys üblichen Handlangern durch«, sagte Decker. »Vielleicht erkennt er den Fahrer ja wieder.«
John D. High nickte. »Erstatten Sie mir Bericht!«
Als sie allein waren, wandte Cotton sich an Decker. »Sie glauben immer noch, dass Skalsky dahintersteckt?«
Decker starrte auf ihr Smartphone. »Es passt nicht ins Schema«, räumte sie ein. »Ein arrangierter Unfall dieser Art ist viel zu unsicher. Aber es beweist, dass wir jemanden nervös gemacht haben.«
»Mason?«, fragte Cotton.
»Gut, dass Sie mich daran erinnern. Ich muss noch fragen, was die Proben aus Masons Wagen ergeben haben.«
Sie rief Sarah Hunter an und stellte das Telefon laut, damit Cotton mithören konnte. »Hi, Sarah! Was gibt's Neues?«
»Allerhand«, erwiderte Hunter. »Ihr haltet mich ganz schön auf Trab. Cotton hat mir ein ganzes Auto eingeliefert, wusstest du das schon?«
Cotton schnaufte belustigt. »Wir haben gerade darüber geredet«, warf er ein. »Ich lade dich auf einen Cocktail ein, wenn alles vorbei ist.«
»Ein Cocktail ist nicht genug«, sagte Hunter. »Nicht, wenn die Arbeit so frustrierend ist. Phil, deine Proben sind Nieten. Nichts davon lässt sich einer Spur zuordnen, die mit diesem Fall in Verbindung steht.«
Nach dem Telefongespräch stand Cotton vom Tisch auf. »Also gut«, sagte er. »Dann machen wir jetzt eine Diashow. Aber wenn ich mir schon die Pin-ups von Skalskys Schlägern anschauen muss, will ich mir danach noch was Hübsches ansehen.«
»Und woran hatten Sie gedacht?« Decker legte den Kopf schräg.
»New Yorker Nahverkehr«, sagte Cotton. »Der Lieferwagen, der meinem Dodge die Dellen verpasst hat, wurde heute gegen drei Uhr in Brooklyn als gestohlen gemeldet. Unser Täter ist mit der U-Bahn geflüchtet. Womöglich ist er auch mit der Bahn gekommen, als er den Wagen geklaut hat. Ich möchte die Überwachungsvideos von den Haltestellen rings um den Tatort sehen. Wenn kurz vor dem Autodiebstahl irgendwo ein Gesicht auftaucht, das auch auf den Bändern von der Metro Station DeKalb ist, wissen wir, wie Mr. Basecap wirklich aussieht.«
*
Am Nachmittag fuhr Cotton bei der Asservatenkammer des NYPD vorbei. Er grinste bei dem Gedanken, dass Decker ihn vor wenigen Stunden noch nach Hause geschickt hatte. Davon war inzwischen keine Rede mehr.
Sein Grinsen ging in ein Gähnen über. Cotton unterdrückte es und dachte an die Informationen, die er überprüfen wollte. Zeerookah hatte ihm insgesamt sieben nicht identifizierte Tote herausgesucht und zwölf Vermisstenfälle, die möglicherweise zu einem Schema passten, in das sich auch der Fall Robinski einordnen ließ – beispielsweise ein gewisser Walter Mortimer, ein stadtbekannter Gangster, der ebenfalls drei Jahre lang nicht mehr gesehen worden war, bis man ihn eines Tages frisch verstorben aufgefunden hatte.
Doch es gab noch eine dritte Kategorie Vorfälle, die Cotton aufhorchen ließen: Wohnungen, die unvermittelt leer zurückblieben, weil die Bewohner verschwunden waren. Das kam nicht so selten vor. In den meisten Fällen handelte es sich um Mietnomaden, um Fälle psychischer Instabilität, die vorher schon aufgefallen waren, oder es geschah aus anderen persönlichen Gründen.
Aber Cotton interessierte sich für diejenigen, die genau wie Laura Robinski scheinbar zurückgezogen und in Wohlstand gelebt hatten. Was sein ganz besonderes Interesse weckte: Unter den Fällen dieser Art, die Zeerookah zutage gefördert hatte, war eine weitere Frau, die von Lydiah Bruckner vertreten worden war – eine Dame, die unter dem Namen »Rimes Martin« logiert hatte.
Cotton war entschlossen, die Maklerin auf diesen Fall anzusprechen. Zuvor allerdings wollte er sich die Besitztümer von Mrs. Martin anschauen. Die Polizei hatte sie beschlagnahmt und vorläufig als Beweismittel einlagern lassen, da ein Verbrechen nicht ausgeschlossen
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