Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
Gesicht
wieder und sagte ernst und gefasst:
„Irgendwo, ich weiß nicht mehr genau wo.“
Natürlich wusste er wo. Das wusste er genau. Das wollte er aber lieber
für sich behalten, da er sich noch nicht sicher war, wem er vertrauen konnte
und wem er besser nicht zu viel über sich und seine Vergangenheit erzählte.
Die nervösen Ropeys näherten sich dem Bus . Die Tür öffnete sich,
ja genau, eine Tür! Dieses Gefährt verfügte nicht über die Port-Technik. Eine
ganz normale alte Tür, die sich zur Seite schob und Einblick nach innen gab.
Jasons Stimme schallte durch die vibrierend warme Luft:
„So Leute, die Reise beginnt. Auf in den Bus, los, los. Die Fahrt
dauert verdammt lange!“
Jason stellte sich neben die Bustür und zählte die vorsichtig und
langsam einströmenden Ropeys. Erst näherten sich wenige Leute, dann wurden es
mehr. Sie stiegen ein, klammerten sich an den rostigen Haltegriffen fest, nur
um sofort wieder angeekelt die Hand weg zu ziehen, da sie die Keime und der
Dreck davon abhielt sich weiter festzuhalten. Dieser Hygiene-Zwang war absolut
krank, dessen war sich Jay bewusst. So wurde er auch einmal erzogen, so wurden
alle erzogen. Doch mit den Jahren, die er älter wurde, stellte er die
Gewohnheiten und Zwänge der Regierung und der Citiza in Frage. Er hatte keine
Hemmungen, auch mal einen rostigen Griff anzufassen. Es kostete die Ropeys
sogar Überwindung sich auf die etwas zerfallenen aufgerissenen Polster der
Sitze zu setzen. Doch nach einem Kampf mit sich selbst, wagten sie den
Kuschelkurs mit den Keimen.
Jay stieg ein, reichte Ceela seine Hand und half ihr in den Bus. Sie
gingen den schmalen Gang zwischen den Sitzen hindurch und setzten sich in den
hinteren Bereich des Busses. Der Bus wurde voll, die Wiese aber nicht leer.
Alle waren so auf den einen Bus konzentriert, das keiner bemerkt hatte,
wie zwei weitere dieser, vorsichtig gesagt: etwas schrottigen Gefährte, angerollt
waren.
Jason trat als Letzter in den ersten Bus und sagte mit lauter Stimme:
„So, wie ihr seht, teilen wir uns auf drei Busse auf. In diesem Bus
fahren mit mir 12 Ropeys. Dort drüben fahren ebenfalls 12 Ropeys. Und in dem
letzten Bus fahren die restlichen, 11 glaube ich, sind es. Alle, die noch
draußen rumstehen, steigen jetzt bitte in einen Bus ein. Dann geht’s los!“
Nach kurzer Zeit saßen nun endlich alle abfahrtbereit in den Gefährten.
Der Busfahrer schmiss den Motor an, da Busse noch Motoren hatten und nicht mit
der blauen Energie fuhren. Es knatterte, brummte. Rauch stieg aus der
Motorhaube. Einige Ropeys wurden bleich.
„Keine Angst, das ist immer so!“ schrie der Fahrer hemmungslos und
stemmte seinen Fuß auf das Gaspedal. Mit einem Quietschen kam der alte Bus ins
Rollen. Wieder fiel ein Teil der Mauer weg und die Fahrzeuge durchquerten den
offenen Bereich, ließen das Verteilerzentrum der NRU hinter sich, ließen ihr
altes Leben hinter sich, fuhren voraus in eine unbekannte Zukunft, ein neues
Kapitel in der Geschichte ihres Leben.
Kapitel 4
Die Nacht brach über die Gruppe herein. Friedlich glitten die rostigen
Fahrzeuge über den ebenen Weg durch den Wald. Neben ihnen rauschte ein kleiner
Bach. Das Rauschen vermischte sich mit dem Rattern der Motoren zu einem
konstanten Begleitgeräusch. Jay blickte nachdenklich aus dem Fenster neben ihm.
Die anderen Leute im Bus fielen langsam alle in den Schlaf. Jay musterte
erstmals seine Mitfahrer. Diese Menschen könnten vielleicht einmal die sein,
die ihn vor einer Gefahr retten, die mit ihm ihr letztes Brot teilen würden,
die Menschen, von denen sein Leben bald abhing. Doch wer waren sie eigentlich?
Er sah ihre Gesichter, kannte vielleicht ihre Namen. Doch kannte er sie
wirklich? War das Kennen ? Das bezweifelte er. Er kannte nicht die
Geschichte hinter dem Gesicht, hinter der Fassade. Er wusste nicht, was sie
antrieb durchzuhalten, nach vorne zu schauen. Er wusste nicht, ob diese
verzweifelten Menschen überhaupt noch irgendwas am Leben hielt oder ob sie auf
kurze oder lange Sicht bald abtreten würden. Er wollte die Geschichte erfahren, ihre Geschichte, die jedes einzelnen. Dann würde er sie kennen. Dann
würde er endlich wissen, mit wem er es zu tun hatte. Doch die Person, deren
Geschichte ihn am meisten interessierte, saß direkt neben ihm. Ihre
kristallklaren Augen leuchteten in der Dunkelheit. Sie war wach. Er spürte es.
Sanft strich Jay ihr eine Strähne von der blassen Stirn weg. Er ließ seine
Finger über das verletzte,
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