Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
begann der Mann mit seinem Werk.
Jay biss sich auf die Lippe, er würde nicht schreien. Er wollte Ceela
nicht noch mehr verunsichern, und Grace. Er erhöhte den Druck seines Kiefers,
bis das warme Blut aus der Lippe quoll und in seinen Mund sickerte. Der
metallische Geschmack breitete sich aus. Sein Arm schmerzte höllisch. Das Blut
lief auch hier heraus, und es war nicht gerade wenig. Jay verfolgte die
Schnitte des Mannes und stellte mit Bewunderung fest, dass der Messermensch
jede wichtige Ader und Vene berücksichtigte, sodass Jay nicht verbluten würde.
Dennoch machte das die Schmerzen nicht gerade weniger. Der Mann ritzte gelassen
weiter in seinem Arm rum, während Jay nebendran mit allen Mitteln versuchte
nicht zu schreien und die Schmerzen auszublenden, doch es war unmöglich. Die
schmerzende Qual durchfuhr seinen Arm und breitete sich im ganzen Körper aus.
Sein Herz pumpte das Blut rasend, doch es floss sofort wieder aus seinem Arm
heraus. Sein Puls war den Umständen entsprechend hoch. Der Druck der Klinge auf
seinem Arm schnitt ins Fleisch und verursachte höllische Wunden. Jay
betrachtete das Werk, auf seinem Arm, das scheinbar immer noch nicht fertig
war. Es waren Zahlen, dieselben wie auf der Kerze. Der heutige Tag, das
Ankunftsdatum. Das meinte der Mann mit Registrierung der Ropeys .
Erleichtert atmete Jay auf, als der stechende Schmerz endlich nachließ. Er ließ
seinen Blick über seinen verunstalteten Unterarm schweifen. In der Länge stand
das Datum in tiefen Schnitten, so tief, dass sicherlich eine Narbe die Folge
wäre. Dunkles pures dickes Blut rann aus seinen Wunden und tropfte auf den
morschen Holzboden.
Erst jetzt fiel Jay die große Lache aus getrocknetem Blut auf dem Boden
auf. An manchen Stellen glänzte der Fleck verdächtig, das Blut von heute, von
den anderen Ropeys, sein Blut. Er hätte sich fast übergeben müssen. Doch er
hielt sich zurück und schluckte den Magensaft, der sich schon in seinem Mund
ausgebreitet hatte, wieder herunter. Der säuerliche Geschmack vermischte sich
mit dem metallischen Geschmack von dem Blut.
„Du bist fertig. Geh da hinten raus.“ Der Messermann deutete auf die
Rückwand der Hütte.
Zu seiner eigenen Überraschung musste Jay feststellen, dass da eine
zweite Tür war. Das erklärte auch, wieso er keinen der Ropeys hatte rausgehen
sehen, sie aber dennoch nicht hier mit ihm im Raum waren. Jay zögerte kurz und
öffnete dann die alte Tür. Die kühle Nachtluft schlug ihm entgegen. Er musste
kurz stehen bleiben, bis sich seine Augen der dunklen Umgebung anpassten. Er
schaute sich um. Nirgendwo war eine Person zu sehen. Aber vor ihm führte ein schmaler
Weg, der durch einen Zaun auf beiden Seiten begrenzt war, auf einen kleinen
Berg hoch. Neben ihm wucherten Sträucher und Äste und bildeten ein pflanzliches
Geflecht, durch das kein Blick dringen konnte. Er war zwar noch im Dorf, aber
bis auf die Hütte, aus der er gerade gekommen war, konnte man nichts mehr davon
sehen. Er entschied sich dem Weg zu folgen. Was sonst sollte er tun? Er lief
los.
Ein schriller Schrei. Er fuhr hektisch mit dem ganzen Körper herum.
Ceela! Er stürmte zurück und riss an der Tür. Verschlossen. Was?! Panik stieg
in ihm hoch. Er konnte nichts tun. Nur warten. Das tat er, er musste. Er zuckte
jedes Mal zusammen, wenn er ihre kreischende Stimme hörte.
Klack . Er blickte auf die Tür. Sie wurde aufgeschlossen. Seine
Hand schnellte nach vorne und zerrte hastig die Tür auf. Da stand sie, konnte
sich kaum auf den Beinen halten. Ihr Körper wankte und ihre Kleidung war mit
Blut getränkt. Ihr Arm triefte auch noch von der dickflüssigen roten
Flüssigkeit. Das rosa verletzte Fleisch in ihrem Gesicht, war ein Kontrast zu
ihrem sonst schon blassen Gesicht geworden, das jetzt aber überhaupt keine
Farbe mehr aufwies. Sie zitterte. Das Blut klebte an ihren Händen. Sie
versuchte sich an der Wand abzustützen. Jay stürmte zu ihr und fing sie, als ihr
Körper gefährlich nach rechts kippte. Er klemmte seine Arme unter ihre Beine
und ihren Rücken und hob sie vor seine Brust. Der alte Mann in der Ecke hatte
immer noch dieselbe versteinerte finstere Miene und folgte dem Geschehen. Er
hatte nicht auch nur die kleinste Bewegung gemacht, um Ceela zu helfen. Wütend
funkelte Jay ihn an und drehte sich dann weg, weg von dem Alten, dem
Messermann, weg von der kleinen Höllenhütte und vor allem weg von dem ganzen
Blut.
Kapitel 16
Schweigend liefen sie den schmalen Weg entlang, Jay trug
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