Die Verstoßenen (Verlorene Erinnerungen) (German Edition)
förmige hölzerne
Schüssel, in der die letzten Reste der grauen Masse klebten. Sie hob den Kopf
und blickte in dem zwar großen, aber zugestellten Raum umher. Einfache Tische
und Bänke. Essende Menschen. Die Essensausgabetheke und die rundlichen Frauen
fortgeschrittenen Alters, die hinter dieser Theke herumwuselten und mit
neutraler Miene die Pampe in die Schüsseln klatschten. Ein paar schwache
Glühbirnen baumelten lose an der Raumdecke und erhellten, neben der matten
Morgensonne, den kahlen Speisesaal. Viele waren schon fertig mit ihrem Essen,
doch die meisten erhoben sich nur, brachten das dreckige Geschirr an einen
Schacht, der durch die Wand führte. Aus dieser Lücke griffen dann gierige Hände
nach dem benutzten Geschirr, zogen es durch die Luke und schoben wieder eine
dünne Wand in den Durchbruch ein. Nach dieser Abräumprozedur setzten sich die meisten,
zu Grace großer Überraschung, einfach wieder auf ihre Plätze. Sie verließen den
Saal nicht, sondern ließen sich folgsam und still wieder auf ihren alten
Plätzen nieder. Grace musterte die Personen an ihrem Tisch, die nun alle
aufgegessen hatten. Jay erhob sich und fing an Schüsseln und Becher zu stapeln,
nahezu artistisch balancierte er das Geschirr auf seinen Händen.
„Ich helfe dir.“ Mit selbstverständlicher Höflichkeit sammelte Grace
die übrigen Becher, Schüsseln und Löffel ein.
„Danke.“ Jay lächelte freundlich.
„Da hin?“ Mit einer vorsichtigen Bewegung deutete Grace mit ihrem Kopf
auf die seltsame Luke in der Wand.
„Genau da hin. Zur Geschirrabnahme“, erwiderte Jay und lief langsam
los.
Grace folgte ihm. Er stellte alles auf dem kleinen Brett vor der Luke
ab und wartete, bis eine alte, schrumpelige Hand nach ihrem benutzten
Tischgedeck griff. Die Frau blickte genervt und gestresst. Sie sammelte alles
ein und schob hastig wieder eine kleine Zwischenwand ein. Grace hatte ihre
Ladung auch schon abgegeben und so machten sich die beiden zurück zum Tisch.
„Kyle ist im Grunde ein guter Mensch, du darfst ihn nicht falsch einschätzen.
Er ist nicht so schlecht, wie du vielleicht denkst!“ Jay schaute relativ
normal, doch sie konnte die Aufrichtigkeit in seinen Zügen erkennen und auch
einen Hauch von Sorge.
„Ich mag es einfach nicht, wenn man mich Süße nennt, mehr nicht…“ Sie
blickte direkt in Jays seegrüne Augen. Sie funkelten so ehrlich, so vertraut.
„Ich weiß auch nicht, normal bin ich nicht so schnippisch. Ich weiß
nicht, was los war. Ich bin wahrscheinlich einfach nur übermüdet, ich habe
überreagiert…“ erklärte sie.
„Das wird dir keiner übelnehmen.“ Sein Lächeln war warm und herzlich.
„Ich sollte mich trotzdem entschuldigen“, sagte sie entschlossen und
das meinte sie auch so.
„Du bist ein guter Mensch, weißt du, nicht viele sind so.“
Sie lächelte stumm. Dann sagte sie:
„Weißt du, so wie du das sagst, das zeichnet einen guten Menschen aus,
Ehrlichkeit.“
Dann kamen sie schon am Tisch an. Aber der Anflug eines Lächeln huschte
dennoch über seine Lippen. Sie setzten sich wieder zu den anderen und warteten,
worauf auch immer.
„Was passiert jetzt?“ fragte Sam ernst. Alle sahen sich an und sahen
sich im Raum um.
Alle, bis auf einen, Tom, er blickte stumm auf die Stelle, an der
vorher seine Schüssel gestanden hatte. Nach mehreren Minuten angespannten
Schweigens passierte endlich wieder etwas. Ein paar ältere Personen traten
durch die Tür in den Speisesaal. Jays Augen blitzten auf. Messermann! Alarmiert
schärfte er alle seine Sinne. Was geschah nun? Hinter Messermann liefen noch
die Frau, die er auch in der Nacht gesehen hatte, Miranda, und ein weiterer
Fremder. Was wollten sie hier? Waren sie der Grund, weshalb alle noch hier
blieben?
Sie stellten sich auf eine Erhöhung im Boden am hinteren Ende des
rechteckigen Saals. Messermann erhob das Wort:
„14.September. Morgendliche Ansprache. Neue Ropeys sind wieder
eingetroffen. Es ist eure erste Ansprache, das ist jeden Morgen so. Ihr werdet
mit Informationen und Tagesplänen versorgt. Beginnen wir nun.“
Er übergab das Wort an den Fremden. Seine Stimme klang selbstbewusst,
nicht beeinflussbar und vor allem nicht schwach, sie strotzte nur so vor Kraft
und Männlichkeit:
„Die Neuankömmlinge werden auf dem Trainingsgelände erwartet, in einer
halben Stunde. Die Kleidung findet ihr auf euren Zimmern. Zieht euch um und
begebt euch dann auf den Übungsplatz. Ihr könnt gehen.“
Unschlüssig standen ein paar
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