Die Verstummten: Thriller (German Edition)
Gemeinschaftspraxis niedergelassen und greift sich durch seine Be-zieh-un-gen … «, sie schnalzte durch die Zähne und dehnte das Wort wie Kaugummi, »… zu einer Stadträtin die Sektionen.« Aus dem Brotkorb grapschte sie sich eine der Brezen und rieb das Salz ab, dass es quer über den Tisch spritzte. Ein Salzkorn flog Dr. Herzog ins Auge.
»Konkurrenz belebt das Geschäft, heißt es nun auch für uns.« Feininger knickte die Breze in wenige große Stücke und schob sie sich in den Mund. Sie kaute, schnitt sich eine Semmel auf und wählte ein Marmeladenglas. »Überall wird gespart, wie wir wissen, dabei gibt es so viele interessante Fachgebiete. Die Geschichte der Medizin oder auch die Sexualmedizin zum Beispiel. Alles wegrationalisiert.« Sie hustete kurz, kaute dann wieder, schluckte und fuchtelte mit dem Messer herum. »Na ja. Früher sezierten die Anatomen nur im Winter und forschten im Sommer als Botaniker. Baumschullehrer, vielleicht wär das was für einige von Ihnen?« Sie sah in die Runde. »Aber noch wollen wir das Verbrechen in München nicht fördern, wir als Institut der Uni geben nicht klein bei, auch wenn Strunki versucht, alle Obduktionen an sich zu reißen.« Sie trank, fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und saugte einen Karottenrest ein. »Und wenn ich einen Kopfstand mache und danach vermutlich selbst auf einem unserer Stahltische liege, wir müssen uns etwas einfallen lassen, oder es ist aus.« Sie stieß einen Seufzer aus, der aus den Tiefen eines Fabrikschlots zu kommen schien und auch so klang. »Toxikologen werden an der Uni immer gebraucht.« Sie deutete mit der marmeladenroten Messerspitze auf Susanne Schmetterer. »Auch Dr. Herzog wird als DNA -Spezialist, falls es zum Äußersten kommt, immer genug zu tun haben. Aber die anderen … « Ihr Blick streifte Carina. »Zum Beispiel Dr. Kyreleis, die uns als Rekonstrukteurin … «
Ein Quaken ertönte. Feininger verstummte, als hätte ihr jemand den Stecker gezogen. Bei wem hockte der Frosch, der sie verhöhnte?
»Äh, einer meiner Söhne hat mir einen neuen Klingelton eingestellt.« Dr. Herzog, dessen eines Auge vom Salz tränte, fasste sich an die von Schweißperlen glitzernde Glatze und presste sich das Handy ans Ohr. Alle lauschten; normalerweise traute sich keiner bei der Teambesprechung zu telefonieren, selbst Notfälle durften nur per SMS mitgeteilt werden. »Was? Wie?« Herzog stand langsam auf. »Und wo?« Er schnappte sich ein Croissant und hastete Richtung Tür. »Nummer fünf und sechs«, rief er ihnen noch zu, bevor er hinausrannte. »Zwillinge.«
»Wenigstens sorgt einer von uns für das biologische Gleichgewicht«, fing Feininger wieder an, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, und schälte sich eine Banane. Erst jetzt schien ihr aufzufallen, dass keiner außer ihr aß. »Langen Sie zu, was ist los? So schnell gebe ich mich nicht geschlagen, auch wenn es momentan so aussieht. Ich hoffe, Sie unterstützen mich. Lassen Sie uns gemeinsam weiterkämpfen.« Sie leerte ihr Glas, verzog das Gesicht. »Jeder im Team kann sich neu beweisen, so hart das auch klingt. Gehen Sie liegen gebliebene Akten durch, ordnen Sie Ihre Bücher, oder seien Sie vor diesem Strunkholz am Tatort, wie es Frau Kyreleis gelungen ist. Der Doppelmord bringt uns auch in der Öffentlichkeit in Erinnerung.« Sie tippte auf die Zeitung, suchte eine bestimmte Zeile und las vor: » Das Team der SOKO Flora wird von der renommierten Rechtsmedizinerin und Gesichtsrekonstrukteurin Dr. C. Kyreleis verstärkt, die nach einem längeren Aufenthalt in Mexiko wieder in München arbeitet. « Feininger klopfte auf den Tisch. Zu Carinas Verlegenheit fielen die Kollegen in den Applaus ein.
»Medienpräsenz ist wichtig, auch wenn Ihnen und mir das unangenehm ist. Wir alle arbeiten nicht ohne Grund bei Minusgraden, abgeschottet von draußen. Und wenn Sie nun gefrühstückt haben, erwarte ich jeden Einzelnen von Ihnen mit ein paar guten Ideen in meinem Büro. Dr. Kyreleis, kommen Sie mit, Sie knöpfe ich mir als Erstes vor.« Sie stieß das Korbsofa mit einem Ruck ihrer Stiefeletten an die Wand und walzte aus dem Raum.
48.
München-Grünwald, 1994
»Ich dachte, die Rechtsmedizin hat die Verstorbene bereits zur Einäscherung freigegeben?« Michael half ihr, die Leiche aus dem Sarg zu heben und auf den Stahltisch zu legen.
»Ihr Bruder hat angerufen, er will sie doch sehen.« Iris, die sich jetzt Gloria nannte, log ihren Verlobten ungern an, aber diesmal musste
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