Die Versuchung der Hoffnung
sie hat verbergen können.
Und jetzt sitzt er hier und starrt sie an, als wäre er ein Volltrottel. Wie ein Schuljunge, der sich in die unerreichbare Lehrerin verliebt hat und sie nun aus der Ferne anhimmelt.
Ihre blonden Locken, die sie locker am Hinterkopf aufgesteckt hat und diese grauen Augen mit den bunten Flecken darin … Sie hat sich kaum verändert.
Sein Herz zieht sich schmerzlich zusammen.
Er hat sie vermisst, verdammt noch mal. Sie hat ihm gefehlt. All die vielen Jahre hat er mit unveränderter Liebe und Sehnsucht an sie gedacht.
Eine einzelne Haarsträhne hat sich in ihr Gesicht verirrt und fällt ihr in die Augen.
Ohne genau zu wissen, was er da tut, streckt er seine Hand danach aus, um sie ihr aus dem Gesicht zu streichen.
Er weiß ganz genau, dass es ein Fehler sein wird, sie zu berühren, dass es alte Wunden aufreißen wird. Aber er kann die Bewegung einfach nicht mehr stoppen.
+++
Ich starre völlig gebannt auf seine Hand, die sich nach meiner Wange ausstreckt. Er streicht mir eine Haarsträhne aus meinem Gesicht und lässt sich dabei viel mehr Zeit, als dafür nötig gewesen wäre. Danach kommt seine Hand sofort zurück. Immer noch langsam, beinah andächtig, streicht sein Daumen über meine Augenbraue, fährt die Kontur meines Wangenknochens nach und streift dann meine Unterlippe. Ich schnappe unwillkürlich nach Luft und spüre, dass sich mein Mund wie von selbst ein kleines Stück öffnet.
Steh auf und geh, sonst kannst du nicht mehr aufhalten, was hier gerade passiert!
Aber eine Einsicht zu haben und auch danach zu handeln, das ist eindeutig zweierlei. Denn irgendwie sind meine Beine wie gelähmt und in meinem Kopf herrscht eine unglaubliche Leere, während mein Herz zu rasen beginnt. Immer noch sitze ich nur da und starre ihn an wie ein Mondkalb.
John greift nach meiner Hand, zieht sie an seinen Mund und beginnt meine Fingerkuppen zu küssen. Meine Augen schließen sich und jeder Kuss scheint einen kleinen Hitzestoß direkt in meine Mitte zu leiten. Leise seufze ich auf.
„Hope …“ Johns Stimme ist nur ein raues Flüstern, und als ich meine Augen wieder öffne, ist sein Gesicht direkt vor meinem. Er riecht so wahnsinnig gut. Nach den Resten seines Parfüms, das trotz der Dusche immer noch an seiner Haut haftet, und nach sich selbst. Herb, männlich, dunkel und nach einem Hauch von Gewürzen, nach Wacholder, Ingwer und Piment. Er ist mir jetzt so nahe, dass ich die kleine, helle Narbe an seinem Kinn sehen kann, die er sich zugezogen hat, als er als Kind vom Fahrrad gefallen ist. Alles an ihm ist mir immer noch so wahnsinnig vertrau t und gleichzeitig fremder denn je.
Langsam, ganz langsam nähern sich unsere Lippen und vereinigen sich zu einem Kuss, der so zart und sanft ist, dass man ihn kaum spüren kann. Sofort zieht John sich wieder zurück.
„Wir sollten das nicht machen“, flüstert er ein wenig atemlos.
„Nein, sollten wir nicht.“ Ich versuche, ein bisschen mehr Entfernung zwischen uns zu bringen, setzte mich gerade hin und atme tief durch.
Noch mehr Abstand, das wird sonst nichts!
In einem letzten, verzweifelten Versuch, das zu unterlassen, was wir hier gerade angefangen haben, will ich vom Sofa aufstehen. Aber weit komme ich nicht. Kaum, dass ich aufgestanden bin, gibt John in tiefes, knurrendes Geräusch von sich und zieht mich zurück. Ich lande in seinen Armen, die mich umfangen und festhalten. Kurz schnappe ich nach Luft und nehme dann erneut, noch intensiver als vorhin, seinen vertrauten Geruch wahr. Und noch immer, nach all den Jahren, erinnert sich mein Körper sofort an ihn und an die Freuden, die er ihm bereitet hat. Ich will ihn. In diesem Moment will ich ihn so sehr!
Das Blut rauscht in meinen Ohren und mein Herz schlägt laut, hart und schnell gegen meine Brust. Adrenalin und eine heiße Welle in mir aufwallender Lust bringen meinen gesamten Körper zum Kribbeln. Als Johns Lippen wieder auf meine treffen, diesmal fest und fordernd, gebe ich ein heiseres Keuchen von mir.
Flüchtig blitzen die Erinnerungen an den grauenhaften Kuss mit Ron heute Abend in meinem Kopf auf. Dass Küsse so unterschiedlich sein können, eine so unterschiedliche Wirkung auf mich haben können … Sofort werde ich aber wieder abgelenkt, da Johns Zunge Einlass in meinen Mund fordert. Noch immer schmeckt er so unglaublich, so wahnsinnig gut. Seine Zunge dringt in meinen Mund ein, erst vorsichtig, als wolle er auch ganz sicher gehen, dass ich das auch will. Dann wird
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