Die Versuchung der Hoffnung
und dann in Ruhe überlegen, was ich jetzt machen will.
Und dann ist da noch John selbst. Und seine Tattoos.
Vielleicht ist das eine Wunschvorstellung, aber es sieht schwer danach aus, als hätte er sich im Laufe der Jahre meinen Namen in allen möglichen Symbolen über seinen halben Körper tätowieren lassen. Und auch das macht mir ein bisschen Angst.
Schöne Scheiße, Hope!
Draußen wird es langsam hell und die ersten Räumfahrzeuge machen sich an die Arbeit, um die verschneiten Straßen wieder passierbar zu machen.
Seufzend mache ich mich auf den Weg ins Bad. Ich nehme eine heiße Dusche, schminke mich schnell und ziehe meine Sachen von gestern wieder an, weil ich es nicht riskieren will, John zu wecken, wenn ich mir aus dem Schlafzimmer frische Kleidung hole.
Dann koche ich mir einen extrastarken Kaffee mit viel Milch und Zucker, bewaffne mich mit dem Telefon und setze mich an den Küchentisch.
Jonathan scheint noch immer tief und fest zu schlafen.
Kapitel 9
+++
Beim Aufwachen ist die Seite, auf der beim Einschlafen Hope lag, leer.
John streckt die Arme über den Kopf und gähnt, bevor er langsam die Bettdecke zur Seite schlägt und sich umsieht. Wie bisher alles, was er in ihrem Haus zu sehen bekommen hat, ist auch das Schlafzimmer gemütlich, geschmackvoll und feminin. Die Hauptfarbe hier bezeichnet man vermutlich als altrosa, alles andere ist ganz sicher grau. Dazu weiße Möbel und jede Menge Schnörkel und Schnickschnack. Seine Füße landen auf dem weichen, weißen Schafspelz vor dem Bett. Ein wenig zögerlich bleibt er stehen, bevor er die überall verstreute Kleidung von gestern Nacht aufliest und wieder anzieht.
Als er in Richtung Tür geht, fällt ihm die Kommode von Hopes Urgroßmutter auf, die schon früher in ihrem Zimmer stand. Sein Blick schweift über die vielen kleinen Bilder, die darüber hängen. Seltsamerweise scheinen hier einige zu fehlen und er fragt sich, warum sie sie wohl abgenommen haben mag. Nachdenklich streicht er über die abgenutzte, graue Marmorplatte des so vertrauten Möbelstücks darunter. Noch etwas anderes sticht ihm ins Auge. An der dem Fenster gegenüberliegenden Wand hängt eine stark gebrauchte Dartscheibe, die in diesem mädchenhaften Traum von einem Zimmer merkwürdig deplatziert wirken würde. Wenn es eben nicht ausgerechnet Hopes Schlafzimmer wäre.
Hope. Er ist bei Hope und letzte Nacht hatten sie Sex miteinander.
John atmet einmal tief ein und wieder aus. Die ganze Situation verwirrt ihn. Natürlich hat er das Szenario, ihr zu begegnen, tausendfach in Gedanken durchgespielt. Womit er allerdings nicht gerechnet hatte, war die tiefe Verwirrung, in die ihn diese Situation stürzen würde. Die Unsicherheit und die Intensität der alten Gefühle, die dabei wieder ans Tageslicht kommen. Neben all den Gefühlen, die auf ihn einstürmen, ist es vor allem sein Verstand, der sich meldet und ihn mahnt, schleunigst die Notbremse zu ziehen. Was ihm gestern bei Mondschein unausweichlich erschien, kommt ihm heute und bei Tageslicht betrachtet nicht mehr unbedingt wie die beste Idee vor.
Wenn er etwas nicht gebrauchen kann, dann ist es eine Frau, die sein gesamtes Leben durcheinanderbringt. Auch nicht, wenn es sich bei dieser Frau um Hope handelt. Er hat nicht all die Jahre damit vertan, sich zu einem Leben ohne sie zu zwingen, um sie jetzt einfach so wieder zurückzunehmen.
Innerlich wappnet er sich dafür, ihr entgegenzutreten und sich freundlich, bestimmt und möglichst für immer von ihr zu verabschieden. Natürlich hat er sich all die Jahre nach ihr gesehnt. Aber er hat auch gelernt, damit zu leben. Hope ist ein hübsches und ein schmerzvoll trauriges Kapitel seiner Vergangenheit. Und selbst wenn er heimlich immer gehofft hat, dass sie in seinem Leben vielleicht doch noch mal eine Rolle spielen könnte: Er hat zu lang gebraucht, um sich von dem schmerzhaften Ende ihrer Beziehung zu erholen, um sich jetzt leichtfertig wieder voll hineinzustürzen.
+++
Als John in die Küche kommt, habe ich gerade das Telefon auf die Seite gelegt.
„Guten Morgen“, sagt er und reibt sich in einer verlegenen Geste den Nacken.
„Ebenfalls.“ Mein Lächeln fühlt sich genauso aufgesetzt an, wie es ist.
Na, wenn das mal nicht die romantischste und entspannteste Konversation ist, die ich je mit einem Mann geführt habe …
John bleibt unschlüssig in der Küchentür stehen und scheint nicht so richtig zu wissen, was er jetzt machen soll. Instinktiv weiß ich,
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