Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
sie meine Gefühle nicht erwidert. Dass sie sie erwidert.« Ich stand auf und fing meinerseits an, auf und ab zu gehen. »Ich meine, schließlich habe ich so etwas noch nie gemacht.«
»Eine Frage.« Er hielt inne, bis ich stehen blieb und ihn anschaute. »Ist sie es wert?«
»Ja«, erwiderte ich ohne Zögern.
»Dann sag’s ihr.«
37. KAPITEL
I ch hatte eine halbe Ewigkeit vor der Ivy-Springs-Ballettschule gestanden und versucht, mir ein Herz zu fassen, während ich zuschaute, wie Mütter ihre Töchter abholten oder herbrachten. Es herrschte ein buntes Treiben aus pinkfarbenem Tüll, Glitzer und Haarknoten, die mich an Lily erinnerten.
Andererseits erinnerte mich alles an Lily.
Ein weißer Lieferwagen hielt vor dem Murphy’s Law, und ein Typ mit einer khakifarbenen Hose holte einen Servierwagen aus dem Laderaum. Bevor er ihn ins Café schob, rieb er sich frierend die Hände. Eine Kaltfront war im Anmarsch, als Vorgeschmack auf den Winter. Bald würden die ersten Stürme folgen. Kurze Zeit später kam der Mann mit dem vollbepackten Wagen wieder heraus. Auf den Kuchenschachteln prangte das blau-weiße Murphy’s-Law-Logo.
Sobald er abgefahren war, würde ich hineingehen.
Würde.
»Kaleb?« Ein Mädchen mit strahlend blauen Augen und roten Haaren versperrte mir die Sicht. Auch sie hatte die Haare zu einem Knoten aufgesteckt und trug eine Ballettstrumpfhose. Ich überlegte, wo ich sie hinstecken sollte, konnte mich aber nur noch erinnern, dass ihr Vorname mit A anfing. »Ich bin Ainsley. Wir haben uns letzten Sommer im Wild Bill’s kennen gelernt.«
Ich lächelte, aber innerlich fluchte ich wie ein Kutscher. Ich erinnerte mich an sie. Der Abend, als Michael in die Stadt kommen und mich aus der Bar holen musste, kurz bevor ich Em zum ersten Mal gesehen hatte. Ich hatte mich wohl ein bisschen zu gut amüsiert. Wie gut, wusste ich nicht mehr genau. »Wie geht es dir?«
»Ich frage mich, warum du mich nie angerufen hast.« In den blauen Augen spiegelte sich Enttäuschung.
Es schien zu meinen schlechten Angewohnheiten zu gehören, nicht anzurufen.
»Ich fand, wir haben uns gut verstanden«, fuhr sie fort und verzog die Lippen zu einem Schmollmund, der wohl sexy sein sollte, es aber nicht war.
»Bei mir ist ziemlich viel passiert.« Mein Dad ist von den Toten zurückgekehrt, jemand hat versucht, mich umzubringen, ich hab dich schlicht und einfach vergessen. »Tut mir leid. Entschuldige bitte.«
»Na ja, dann haben wir ja Glück, dass wir uns heute über den Weg laufen.« Sie zog einen Filzstift aus der Tasche und griff nach meiner Hand, um mir ihre Nummer auf die Handfläche zu schreiben. »Bitte verlier sie diesmal nicht wieder.«
Und dann gab sie mir einen Kuss. Mitten auf dem Gehsteig.
Genau in dem Moment, als Lily aus dem Murphy’s Law kam.
»O nein.« Ich wand mich aus Ainsleys Umarmung.
Das durfte einfach nicht wahr sein.
In diesem Moment trat Ava aus der Ballettschule und zog sich wegen der Kälte die Jacke um den Körper. Sie trug ebenfalls eine weiße Strumpfhose und abgestoßene pinkfarbene Ballettschuhe, und ihr kastanienbraunes Haar war zu einem straffen Knoten frisiert. Seit ihrem Einzug bei uns hatten wir kaum miteinander gesprochen.
»Hallo, Ainsley. Ich wusste gar nicht, dass du Kaleb kennst«, säuselte Ava süßlich.
»Und ich wusste nicht, dass du ihn kennst.« Ainsleys Stimme war eiskalt.
Ava ahnte, dass etwas nicht stimmte, entweder weil ich angefangen hatte zu schwitzen oder weil Ainsley zu mir aufschaute, als sei ich ihr Eigentum, das sie vor Ava beschützen musste.
»Ich kenne Kaleb.« Ava hakte sich bei mir unter und zwinkerte mir zu. »Schon seit einer Ewigkeit.«
Ich sah von Ainsley zu Ava und wusste nicht, wie mir geschah. Lily stand ein paar Meter weit weg, in jeder Hand eine Kuchenschachtel, mit grimmiger Miene. Offensichtlich stinksauer.
»Läuft was zwischen euch beiden?«, fragte Ainsley. »Seid ihr zusammen oder was?«
Ich versuchte, Augenkontakt mit Lily aufzunehmen, ihr ein Zeichen zu geben, dass ich nichts mit dem, was da lief, zu tun hatte.
»Könnte man so sagen, dass was zwischen uns läuft«, erwiderte Ava.
Lily reichte dem Fahrer die Kuchenschachteln und lächelte ihn kurz an.
»Hätte ich meinen Edding wohl besser schonen sollen.« Ainsley deutete auf meine Hand. »Ich frag mich, was du an Ava findest. Sie sieht aus wie ein wandelndes Skelett.«
»Vielen Dank für das Kompliment«, entgegnete Ava. »Wir haben alle unsere Stärken und Schwächen.
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