Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
kannte. Er wollte nur für einige wenige Tage mehr sein als lediglich ein Geist, auch wenn er lieber nicht so genau wissen wollte, warum.
»Nein, ich habe noch nie eine Postkutsche ausgeraubt. Oder einen Zug. Oder eine Bank, um es vorwegzunehmen.«
»Aber
irgendetwas
haben Sie geraubt«, stellte sie fest und behielt ihn scharf im Auge. »Von irgendjemandem.«
»Ja. Von den Toten.« Ihr schockiertes Gesicht entlockte ihm ein kurzes, freudloses Lachen. »Ich meine aus Grabmälern. Ich habe keinen toten Viehdieben die Stiefel gestohlen oder so.«
»Manche nennen das auch Archäologie«, bemerkte sie steif.
»Wo liegt da der Unterschied?«, fragte er. »Was ich tue, ist ebenso Diebstahl, nur weniger direkt.«
Sie verspannte sich noch etwas mehr. Da hatte er wohl einen Nerv getroffen. Interessant. »Wenn die Öffentlichkeit davon profitiert, dann ist es Archäologie, wenn es dagegen nur die Gier eines Einzelnen befriedigt, ist es Diebstahl.«
»Ist Ihr Vater zufälligerweise Archäologe? Sie kommen mir da ein wenig voreingenommen vor«, fragte er amüsiert. Viele Herren, die der Oberschicht angehörten, bezeichneten sich selbst als Amateurarchäologen. Er hatte bereits so einiges an sie verkauft.
»Nein! Ich meine, ja.« Sie errötete. »Er ist ein begnadeter Enthusiast. Aber er ist kein
Dieb
.«
Das erklärte natürlich all die historischen Einsprengsel in ihren Unterhaltungen und die beiläufigen Anmerkungen, die sie immer machte, wenn sie an einer antiken Stätte oder Ruine vorbeifuhren.
»Und sicher handelt Ihr Vater immer streng nach Vorschrift, wenn es um den Erwerb von Antiquitäten geht.«
Sie wurde nur noch röter und räusperte sich. »Natürlich. Aber wir haben gerade nicht über meine Familie gesprochen, sondern über Ihre.«
»Eigentlich haben wir das nicht und wir werden es auch nicht«, korrigierte er gelassen und handelte sich damit einen bösen Blick von ihr ein. Sie war ja schlimmer als Haji und sogar noch durchschaubarer.
»Tja, dann haben wir eben über Ihr Leben in den wilden Grenzgebieten Amerikas gesprochen.«
»Nein. Sie haben darüber gesprochen. Ich habe nur gerudert.«
»Aber wenn Sie darüber sprechen
würden
, dann würde Sie das von der Hitze und der harten Arbeit ablenken, und davon, wie weit der Weg noch ist und wie lange es noch dauern wird, bis Sie sich endlich verabschieden können.« Ihre Worte munterten ihn nicht gerade auf, obwohl er glaubte, dass sie das eigentlich bezwecken wollte. »Oder davon, wie untüchtig Ihre Crew ist.«
Betont sah sie zu den Nubiern hinüber, die träge an den Rudern zu beiden Seiten der
Felucca
lümmelten. »Ich wage zu behaupten, dass es bis jetzt noch nicht mal zwei von Ihnen geschafft haben, synchron zu rudern. Meinen Sie, ich sollte ein kleines Ruderlied anstimmen? Sie wissen schon, um Sie alle in Einklang zu bringen und zu einem Team zu machen«, schlug sie vor.
»Nein«, entgegnete er hastig. Der Kapitän hatte ihm erzählt, dass es den Männern nicht gefiel, eine unverheiratete Frau an Bord zu haben. Sie hielten ihren Sturz ins Wasser und die seither anhaltende merkwürdige Flautefür ein schlechtes Omen. »Ich, ähm, genieße unsere Unterhaltung sehr.«
Sie lächelte breit und er begriff, dass er ihr auf den Leim gegangen war. »Haben Sie einen Mustang?«
Endlich mal etwas, über das er ohne Vorbehalt sprechen konnte.
»Ich hatte einen. Einen zähen kleinen Buckskin.«
»War es ein schönes Pferd?«, fragte sie hoffnungsvoll.
»Wohl kaum. Er sah aus wie ein Gargoyle und sein Trab hätte einem das Rückgrat brechen können, aber er ist niemals gestolpert, egal in welchem Gelände, und er wusste, wie man eine Kuh treibt.«
»Sie sind also ein erfahrener Reiter?«
»Ja.«
»Haben Sie ihn denn noch?«
»Nein.« So wie alles andere war auch sein Mustang verkauft worden, nachdem sein Vater gestorben und er damit plötzlich zum Erben geworden war. Wie ein dunkler Engel war Althea auf Jim herabgeschossen, hatte ihn aus Amerika von der Ranch seines Onkels geholt, ihn nach England geschleift und in ihr Haus gesperrt, das eher einem Mausoleum glich. Dieser Ort war für ihn nie ein Zuhause gewesen. Nichts hatte er mitbringen dürfen.
»Muss ich Ihnen denn wirklich jedes Wort aus der Nase ziehen?«, platzte sie zu seiner Verblüffung heraus. Er wusste wirklich nicht, warum sie das alles so interessierte. »Ich respektiere doch diese ganze geheimnisvolle Einsamer-Wanderer-Identität, aber Sie treiben es mitIhrer Verschlossenheit wirklich
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