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Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Campion
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Ernst, dass ihr trauriger Blick mir bis ins Herz schnitt. »Ihr müsst jetzt stark sein, Alice.«
    »Um Gottes willen, Eure Hoheit, welche Krankheit hat Master Martin denn befallen?« Aber insgeheim hatte ich meine Zweifel, dass Trauer um meinen Schwiegervater ein solches Maß an Mitgefühl bei ihr hervorrufen konnte.
    »Sowohl seine Frau als auch sein Sohn, Euer Gemahl, sind in Mailand der Pest erlegen.«
    »Nein«, keuchte ich. »Nein!«
    Blanche of Lancaster stand auf und rückte ihren Stuhl näher. Vermutlich hatten sie ihr Zusammenspiel vorher abgesprochen, und dies war ihr Stichwort gewesen, sich zu uns zu setzen. Die Seide ihres Kleides raschelte vernehmlich, dennoch hielt sie ein Hüsteln für angebracht, als wollte sie uns ihre Gegenwart anzeigen. Ich muss in diesem Moment
etwas gesagt haben, hatte jedoch den Eindruck, dass Himmel und Erde für eine ganze Weile jeden Laut und jede Bewegung erstarren ließen.
    »Dame Alice, auch ich bin in Trauer«, erklärte Lady Blanche. »Ich habe meinen Vater verloren.«
    »Aber wie können sie denn beide …«, sagte ich. »Mein Ehemann und seine Mutter waren beide völlig gesunde, erwachsene … ich meine, Kinder und Schwache …« Ich brach ab, da ich merkte, welchen Unsinn ich stammelte. Meine große Liebe und seine Mutter waren tot. Das Atmen fiel mir schwer. Dunkelheit begann mich von beiden Seiten zu umfangen, während das rundliche Gesicht der Königin in der zunehmenden Schwärze vor meinen Augen im Kreis wirbelte.
     
    In meinem Traum erwachte ich in einer großen Kammer, die dicht bevölkert von Geheimnissen war. Hoch über mir an der Decke huschten Geheimnisse in den Ecken herum, zuckten durch die Schatten, flatterten aus meinem Blickfeld, und der feine Luftzug, der von den stetig schlagenden Flügeln der quirligeren unter ihnen ausging, strich durch die feinen Härchen an meinem Unterarm. Ich hörte Geheimnisse, die gerade so leise murmelten, dass ich sie nicht verstehen konnte. Die mit Flügeln ausgestatteten hänselten mich, als würden sie geradezu hoffen, vernommen zu werden. Die murmelnden, nur schemenhaft auszumachenden wirkten düster, bedrückend und furchteinflößend. Aus diesem Kreis waren viele in herrliche Witwenkleider gehüllt. Offenbar die Geheimnisse der ehemaligen Königin. Einige andere mit Kronen und prächtigen Gewändern waren die des jetzigen Königspaars. Überdies gab es noch welche aus dem weiteren Umfeld des Hofs, und sogar Geistliche bewahrten ihre eintönig gekleideten Geheimnisse in diesem
Raum auf. Geheimnisse, deren Kenntnis niemand eingestehen musste. Unangenehme Geheimnisse. Gefährliche Geheimnisse, die allzu Neugierigen den Tod brachten. Ich versuchte, mich tief ins Bett zu verkriechen, unter den Decken hindurch und auf der Seite wieder hinauszuschlüpfen und zu flüchten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich in einen solch beängstigenden Raum gekommen war. Ich brauchte keine Geheimnisse, hatte keinerlei Verlangen danach.
    Nach dem Erwachen verfolgte mich der Traum weiter. Er schien irgendwie wirklicher zu sein, als meine Träume es gewöhnlich waren. Nan hatte mir einmal erzählt, dass Träume, die uns nach dem Aufwachen noch ebenso gegenwärtig sind wie Erinnerungen an tatsächliche Begebenheiten, eine große Bedeutung besäßen, dass sie geschickt würden, um uns zu warnen. Ich lag im Dunkeln und dachte an Räume, die jenem in meinem Traum ähnelten. Kirchenschiffe oder Kapellen mit Wasserspeiern, geschnitzten Fratzen, reich verzierten Knäufen, Statuen – solche Bilder kamen mir in den Sinn. Ich erinnerte mich an die Frau in der Kirche, die Janyns Rosenkranz hatte fallen lassen, und wie ich ihn später um das Handgelenk der Heiligen Mutter Gottes gewickelt hatte. Der Traum hatte diese Bilder miteinander verwoben. Mein Bauch schien von eisig kalten Steinbrocken beschwert, und ich hatte das Gefühl, so hart gegen die Matratze gepresst zu werden, dass ich meine Rippen nicht zum Atmen weiten konnte.
    Ich vermochte nicht einmal nach Luft zu japsen. Ich hätte meine Seele dafür hergegeben, Janyns warmen Leib neben mir zu spüren, für das Geschenk seiner Nähe. Der Alptraum von Isabellas Fluch nahm kein Ende. Ich glaubte zwar an den Tod von Janyn und Tommasa, aber nicht daran, dass sie an der Pest gestorben waren. Sie hatten sich versteckt, hatten in großer Gefahr geschwebt. Diese Erklärung diente nur dazu, mich zum Verstummen zu bringen.
    Gwen beugte sich über mich, meine gute Gwen, und bot mir einen Schluck Branntwein an.

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