Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
fesselten sie meine Knöchel, warfen mich auf den Bauch, drehten mir die Arme auf den Rücken und banden mir die Hände. Ein ekelhaft stinkendes Tuch wurde über mich geworfen und hüllte mich plötzlich in völlige Dunkelheit. Irgendwo in der Nähe hörte ich Gwen wimmern. Ich gab einen dumpfen Protestlaut von mir, als ich über die Schulter eines Mannes geworfen und wie ein gebundenes Lamm davongetragen wurde. Es dürfte vermutlich ein unbeholfen umkurvter Türrahmen gewesen sein, der mich am Kopf traf. Ich fühlte einen scharfen Schmerz und dann lange Zeit nichts mehr.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf weichen Kissen gebettet, viel weicher als die, auf denen ich eingeschlafen war. Ich bewegte meinen Fuß, und Schmerz durchfuhr mein Bein. Über meinem rechten Ohr hämmerte es in meinem Kopf.
»Wo bin ich?« Meine Stimme war schwach, und meine rechte Wange schmerzte so, dass ich die Worte nur murmeln konnte. Aber jemand hörte sie.
»Sie erwacht.« Es war die Stimme einer Frau. »Ich werde mich jetzt um sie kümmern.«
»Lasst mich das tun, ich bitte Euch. Nach allem, was sie durchgemacht hat, wird meine Mistress sich bei einer Fremden ängstigen.«
Mein Herz hüpfte vor Freude. Gwen war hier. Sie lebte. Ihr treues Gesicht erschien über mir.
»Was ist passiert? Wer …?«
»Mistress Alice, Ihr seid in Sicherheit. Richard Lyons hat sich als guter Freund erwiesen, und jetzt schickt der König uns eine Eskorte.« Sie hob meinen Kopf an und gab mir etwas zu trinken, das nach Honig schmeckte, mich aber wie Branntwein wärmte. »Habt Ihr starke Schmerzen?«
Dasselbe fragte ich mich bei ihr, denn ihr linkes Handgelenk war bandagiert und ein Auge geschwollen und blau verfärbt. Vorsichtig berührte ich meine rechte Schädelhälfte. Mein Haar war offen, aber ich trug keinen Verband. Ich spürte eine äußerst druckempfindliche Beule.
»Sie haben einen Schlag auf den Kopf erhalten, aber geblutet hat es nicht.«
Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Handgelenke beide leicht verbunden waren.
»Die Seile waren alt, rau und viel zu fest geschnürt«, erklärte Gwen. Die Stärke und Festigkeit ihrer Stimme bezeugten mir unsere Rettung stärker, als alle Worte es hätten tun können.
Eine Fremde trat zu uns und blieb hinter Gwen stehen. Es war eine große Frau mit dunklen, ausdrucksstarken Augen, die mich in diesem Moment genau zu betrachten schienen. Ihr Haar steckte unter einem steifen weißen Kopftuch, und ihre Kleidung war schlicht, doch um eine Nonne handelte es sich nicht.
Gwen bemerkte, dass ich hinter sie sah und wandte sich um.
»Dies ist Dame Juliana, eine Heilerin. Dom Hanneye hat sie kommen lassen. Sie war sehr hilfreich.«
»Gott segne Euch«, sagte ich. Selbst die wenigen Worte riefen einen stechenden Schmerz in meinem Kiefer hervor. Ich legte meine kalte Hand darauf, was sich sehr angenehm anfühlte.
Juliana nickte mir zu. »Ihr werdet bald genesen sein, Gott sei gedankt«, sagte sie. »Haben die Kerle Euch am Kiefer verletzt?«
Ich nickte.
»Sie haben Euch einen stinkenden Lappen in den Mund gestopft.« Julianas Miene nahm einen solch grimmigen Ausdruck
an, unter anderen Umständen hätte es schon komisch gewirkt. »Ich bin froh, dass sie tot sind.«
Tot? Ich sah zu Gwen und spürte, wie sie meinen Augen die Frage abzulesen verstand.
»Master Richards Männer, Dom Hanneye und ein Stadtbüttel erwischten die beiden Männer, als sie uns aus dem Kloster trugen, und stürzten sich auf sie. Daraufhin kamen noch mehrere andere Schergen aus der Dunkelheit angestürmt«, erzählte sie. »Ein fürchterlicher Kampf entbrannte, und das Schlimmste war, dass Ihr so reglos neben mir lagt, Mistress Alice, und ich mich nicht einmal über Euch beugen konnte, um zu hören, ob Euer Herz noch schlägt.«
»Und du?«, fragte ich.
»Meine Handgelenke und Augen schmerzen, was durch Dame Julianas Behandlung aber rasch heilen wird. Und man hat mir auch einen viel saubereren Lappen in den Mund gestopft als Euch.«
Ich war erleichtert. »Die anderen?«
»Master Richard hat eine tiefe Wunde an seinem linken Oberarm davongetragen und Dom Hanneye eine gebrochene Nase. Vier der Männer, die uns entführen wollten, sind tot. Der fünfte wird gerade verhört.«
Zu meiner großen Beschämung brach ich in Tränen aus und konnte gar nicht wieder zu weinen aufhören. Mein Innerstes war durch den Tod so vieler mir nahestehender Menschen schon lange stark aufgewühlt, und die Ereignisse der letzten Nacht hatten das Fass zum
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