Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
ausgesetzt hatte.
»Erzählt mir, was geschehen ist«, sagte ich. »Wer hat Alarm geschlagen? Wie konntet Ihr so rasch eingreifen?«
Gwen mischte sich ein und brachte mir eine Medizin, die ich unbedingt sofort trinken sollte. Es war ein unangenehm dickflüssiger Schleim, der nach vermodertem Blattwerk und feuchter Erde schmeckte. Ich wollte ihr den Becher nach einem kleinen Schluck zurückreichen, doch sie schüttelte den Kopf und nahm ihn mir nicht ab.
»Dame Juliana meint, dass eine Kopfwunde wie die Eure, die nicht geschröpft werden kann, mit einer starken Medizin ausgeräuchert werden muss. Dies wird Euch wieder zu Kräften kommen lassen und das Gedächtnis erhalten. Meint Ihr nicht, dass dies einen kurzen schlechten Geschmack wert ist?«
Ich trank, obwohl es die widerlichste Flüssigkeit war, die ich meinen Hals jemals hinuntergezwungen hatte. Gwen belohnte mich anschließend mit etwas Gewürzwein, der den Nachgeschmack weitgehend fortspülte.
Richard hatte während dieser Unterbrechung stumm gewartet.
»Um Eure Frage zu beantworten, wir hatten von vornherein geplant, das Kloster zu bewachen. Doch leider fanden wir uns zu spät zusammen. Sie müssen bei Eurem Eintreffen bereits im Innern gelauert haben. Als sie dann im Hof auftauchten, haben wir uns sofort auf sie gestürzt.«
»Habt Ihr einen von ihnen erkannt?«
»Nein.«
»Wie kamt Ihr darauf, eine Wache einzurichten?« Erneut erschütterte mich der Wagemut, den er um meinetwillen gezeigt hatte.
Er zuckte mit seiner gesunden Schulter. »Das Verschwinden Eures Gemahls, gefolgt von dem seiner Mutter und der mysteriöse Tod seines Vaters, dazu die Tatsache, dass Ihr in den Hofstaat der Königin aufgenommen wurdet, während Eure Tochter bei der Königin von Schottland aufwächst – da war es mir ziemlich klar, dass Ihr in eine Familie eingeheiratet habt, die für irgendetwas verantwortlich gemacht wird, wahrscheinlich für treue Dienste, die sie Lady Isabella erwies.« Er machte eine abwehrende Handbewegung und schüttelte den Kopf, als hätte ich angehoben, es ihm zu erzählen, dabei hatte ich nicht einmal den Mund geöffnet. »Ehrlich gesagt, möchte ich gar nicht mehr wissen aus Furcht, mein eigenes Leben damit zu verwirken. Jedenfalls hielten Dom Hanneye und ich es aus diesen Gründen für besser, eine Wache bei Euch einzurichten.«
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, hob den neben ihm stehenden Weinbecher an und blickte nachdenklich hinein.
Ich war ihm dankbar für seine rücksichtsvolle Pause, die mir Gelegenheit bot, meine Empfindungen in den Griff zu bekommen. Richard fürchtete sich völlig zu Recht, in unser Geheimnis eingeweiht zu werden.
»Möge Euch die Hilfe, die Ihr mir geleistet habt, nie zum Nachteil gereichen.«
Er errötete bis zu den Ohren und offenbarte eine empfindsame Seite an ihm, die mir bislang verborgen geblieben war.
»Ich danke Gott dafür, mir die Weitsicht geschenkt zu haben, rechtzeitig zur Stelle zu sein und den Stadtbüttel in unsere Pläne einzubeziehen.«
In diesem Moment begann vor meinen Augen alles zu verschwimmen, und Richards Stimme schien plötzlich aus großer Entfernung zu kommen. Als ich das nächste Mal erwachte, saß ein Fremder an meinem Bett. Im ersten Augenblick dachte ich schon, von dem unseligen Schleim, den ich so gehorsam geschluckt hatte, verhext worden zu sein. Dunkle Haare und Augen, dunkler Umhang, ein mattgrünes Wams sowie braune eng anliegende Beinkleider und Stiefel.
»Mistress Alice«, sagte er mit einer Verbeugung. »Ich bin Richard Stury, Esquire des Königs.«
Erst jetzt erkannte ich ihn und fürchtete, die Medizin könnte meinen Zustand eher verschlimmert als verbessert haben.
»Ja, ich habe Euch bei Hofe gesehen, Master Stury.«
Einen Moment lang dachte ich, wir wären allein im Raum, und wollte bereits darum bitten, Gwen hinzurufen zu dürfen, doch da trat sie auch schon vor und bot mir einen Becher an, den ich nicht annehmen wollte, bis sie mir versicherte, dass es nur mit Wasser verdünnter Wein und keine Medizin sei. Danach zog sie sich rasch zu ihrem Stuhl in der Nähe der Tür zurück.
»Euer Kammermädchen genießt Euer vollstes Vertrauen? «, fragte Stury.
»Ja.«
Ich trank meinen Wein, während er mir die genauen Gründe
für sein Kommen erläuterte, die ich im Wesentlichen schon von Richard Lyons erfahren hatte. Seine Rede gab mir Gelegenheit, ihn zu mustern. Mit seiner großen, hageren Gestalt und seinen spitzen Gesichtszügen sah er aus wie ein Schreiber.
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