Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Eindruck, als hätte Euer Martyrium den König und die Königin über die eigene Mitschuld am Zerfall Eurer Familie nachdenken lassen, und jetzt suchten sie nach Möglichkeiten zur Wiedergutmachung. «
Dieses gemeinsam durchlittene Martyrium schien allerdings auch die letzten Zurückhaltungen zwischen Herrin und Dienerin zerstreut zu haben.
»Du bist ein wahres Gottesgeschenk, Gwen«, sagte ich zu ihr.
Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie lächelte schief. »Der Himmel war mir gnädig, als ich Eurem Hausstand beitrat, Mistress.«
Nach einer gründlichen Prüfung meiner gesamten Garderobe kamen wir zu dem Schluss, dass einige der Kleider schon zu oft überarbeitet worden waren. Knöpfe, Perlen und Bänder hatten so häufig abgetrennt und ersetzt werden müssen, dass der Stoff ungleichmäßig abgenutzt war und trotz Gwens bester Bemühungen Löcher oder Risse blieben. Am Ende standen wir beide vor dem Bett und betrachteten nachdenklich den Berg an Kleidung.
»Also, was noch?«, fragte ich.
Gwen rümpfte die Nase. »Etliche der Pelze sind schon zu lange tot.«
Diese nüchterne Feststellung brachte uns beide zum Lachen.
Als wir später in den Saal der Königin eilten, wo mein Fehlen gewiss schon bemerkt worden war, begegneten wir Richard Stury, der neben der Countess Joan unruhig auf und ab schritt, während diese mit meiner Freundin Elizabeth beim Würfelspiel saß. Die Countess weilte die letzten Tage vor ihrer Vermählung im Schloss.
»Mistress Alice, Ihr werdet heute Abend mit Seiner Hoheit dem König speisen«, sagte Stury. »Ich werde eine Stunde vorher bei Eurer Kammer sein, um Euch abzuholen. Er möchte noch mit Euch über das furchtbare Geschehen in Oxford sprechen, bevor die anderen Gäste eintreffen.« Er verneigte sich vor mir und zog sich zurück.
Mein Herz tat einen Sprung. Eine Einladung, mit dem König zu speisen. Ihm so nah zu sein! Ich ermahnte mich zur Ruhe und ging zu meinen Freundinnen.
Joan hob die Augenbrauen, ihre Augen leuchteten. »Wie es scheint, zieht Ihr noch etwas Gutes aus Eurem Unglück. Ein Essen im Gemach des Königs! Ich frage mich, wer wohl noch da sein wird?« Sie trat den pelzbesetzten Saum ihres Kleids zur Seite und wandte sich mir zu.
Das fragte ich mich auch.
Elizabeth musterte mich aufmerksam, schließlich entspannte sich ihre Miene, und sie lächelte. »Es ist schön, Euch bei fröhlicher Stimmung zu sehen. Viel besser, als ich erwartet hatte, um ehrlich zu sein. Ich schätze, ohne das Schnarchen von Jane und Agnes neben Euren Ohren schlaft Ihr gewiss viel fester.«
Es überraschte mich keineswegs, dass die Nachricht von
meiner neuen Unterbringung im Hofstaat der Königin bereits die Runde gemacht hatte. »Allerdings.« Ich setzte mich neben sie.
»Ihr müsst diese Gelegenheit nutzen und Seine Königliche Hoheit um Williams Rückkehr an den Hof bitten«, erklärte Elizabeth.
»Ein Buhle?«, erkundigte sich Joan. Alles, was mit Liebeshändeln zu tun hatte, bereitete ihr größtes Vergnügen.
»Nein, kein Buhle, nur ein guter Freund«, sagte ich.
Elizabeth rümpfte kopfschüttelnd die Nase und lachte kurz auf, um zu bedeuten, dass ich in diesem Punkt nicht ganz aufrichtig war. Ich empfand ihr Verhalten als Vertrauensbruch. Von dieser Seite hatte ich sie bislang noch nicht erlebt, und ich fühlte mich verletzt und enttäuscht. Ich hatte in ihr eine Freundin gesehen, doch eine Freundin hätte nie von William zu sprechen begonnen, solange ich es nicht selbst tat.
»Ist hier die Rede von William Wyndsor?«, fragte Joan.
»Ja, genau den meint sie«, sagte Elizabeth. Ich versuchte, unter dem Tisch ihren Fuß anzustupsen, um sie zum Schweigen zu bringen, aber sie plapperte weiter. »Und er hat seine Absicht bekundet, sie zu heiraten!«
Diese Anmerkung verblüffte mich. Ich hatte zwar gewusst, dass er sich bei ihr nach meiner Heiratsfähigkeit erkundigt hatte, aber nicht, dass er bereits von seiner Absicht gesprochen hatte. Und ganz gewiss hatte ich Maud nichts von seinem Schwur erzählt, mich zu heiraten.
Jetzt wurde Joan erst recht neugierig, beugte sich vor und flüsterte: »Habt Ihr denn Eure Absicht bekundet, ihn zu heiraten, Alice?«
Ich schüttelte meinen Kopf. »Nein. Wir sind einander nicht versprochen, das versichere ich Euch.«
»Schade nur, dass es ausgerechnet Wyndsor ist.« Mitfühlend
warf sie ihre hübsche Stirn in Falten. »Denn der König benötigt ihn in Irland, um sicherzustellen, dass Lionel es dort gelingt, den Iren Benimm beizubringen.
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