Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
Er war ein reizender Mann, ein geistvoller Gelehrter, und bei vorangegangenen zwanglosen Abendessen in Edwards Privatgemächern hatten wir unsere gemeinsame Liebe zur Dichtkunst, Musik und Beizjagd entdeckt. Meine Sorge, er könnte nun Anstoß an meiner Anwesenheit nehmen, erwies sich als unbegründet. Wie es schien, überwog seine Liebe zu Edward alles andere. Er blieb jedenfalls ebenso höflich und zuvorkommend, wie er es seit unserer ersten Begegnung gewesen war.
Sonderbar besorgt zeigten sich unter den Gästen zudem Sir Anthony de Lucy und seine Frau, ein Paar, das ich nur flüchtig kannte.
Ich hatte schon halb erwartet, Edward würde in der Runde
eine vielsagende Bemerkung machen, aber zu meiner großen Erleichterung unterließ er es. Ich hatte diese kleinen Gesellschaften, bei denen Edward sich so formlos unter Freunden bewegte, inzwischen schätzen gelernt. Doch obwohl mich alle mit großer Höflichkeit behandelten, trat mir an diesem Abend schmerzhaft deutlich vor Augen, dass mir eigentlich weder von Geburt noch von Heirat oder einem öffentlichen Amt her das Recht zustand, mich in diesem Kreis zu bewegen. Sobald es der Anstand erlaubte, zog ich mich zurück.
Stunden später, als ich bereits im Bett lag, wurde ich geweckt und ins königliche Schlafgemach einbestellt. Im Vorzimmer des Königs nahm ein Kammerdiener meine Hand, um mich zwischen den dort schlafenden Männern hindurchzuführen. Selbst die Wachen schienen schon im Dämmerzustand.
Edward entschuldigte sich, mich geweckt zu haben. Er selbst war bereits barfuß und trug ein einfaches Nachtgewand, was dafür sprach, dass er hatte zu Bett gehen wollen, bevor er sich entschloss, nach mir zu schicken. Er hüllte mich in eine Pelzdecke und zog mich ans Feuer, wo er mir einen edelsteinbesetzten Holzbecher mit Gewürzwein anbot.
Er setzte sich in seinem gepolsterten Stuhl so dicht vor mich, dass sich unsere Knie berührten. Dann beugte er sich zu mir und sagte mit liebevollem, aber auch forschendem Blick: »Und nun erzähle, was war nicht in Ordnung, dass du dich so früh zurückgezogen hast? Ging es dir nicht gut?«
Trotz der Pelzdecke zitterte ich. »Ich trage zwar ein Kind in mir, mein Lieb, dein Kind, dennoch bin ich nicht deine Frau. Ich fürchtete, Missbilligung zu erregen und dich in eine unangenehme Lage zu bringen.«
»Alice, mein Lieb, du hast doch keinen Anlass, dich zu schämen.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus und zog mich
auf seinen Schoß. »Du bedeutest mir ungeheuer viel. Ihr beide«, flüsterte er mir ins Haar.
Ich umfasste seinen prachtvollen Löwenkopf und küsste ihn auf den Mund. »Du bedeutest uns auch sehr viel.«
Er legte seine Hände über meine. »Du frierst.« Er griff nach dem Pelz und legte ihn mir erneut um die Schultern. »Vielleicht kann Dom Hanneye dir ja als Beichtvater dienen, wenn du dich fürs Kindbett an einen stillen Ort zurückziehst. Würde dir das zusagen?«
Edwards innige Fürsorge erfüllte mein Herz mit wohliger Wärme. »Das würde mir sogar sehr zusagen. Aber was meinst du mit einem stillen Ort? Ich dachte, ich würde in London sein.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Alice. Ich habe Simon Langham aufgetragen, sich nach einem passenden Landhaus umzusehen, in das du dich vom Hofe und von all jenen zurückziehen kannst, die dir womöglich schaden möchten oder die meine Gunst suchen und sie durch deine zu erwerben trachten. Du brauchst jetzt Ruhe.«
»Die mir schaden möchten?« Ich hatte mich vor der Königin gefürchtet, nicht vor anderen.
»Mach dir keine Sorgen. Du stehst unter meinem Schutz. Komm.« Er führte mich zu meinem Sitz zurück und nahm wieder mir gegenüber Platz. Meine Hände haltend, fügte er hinzu: »Du trägst das Kind eines Königs, Alice. Ein Bastard, das stimmt, aber dennoch ein königlicher.«
»Ich hatte nicht geglaubt …«
Edward lächelte zärtlich, und unzählige Falten durchfurchten sein Gesicht. »Ich werde nicht zulassen, dass dir ein Leid zustößt, mein Lieb. Keinem von euch beiden.«
Ich fühlte mich klein, dumm und eingeschüchtert. Ich hatte die Tragweite der Tatsache unterschätzt, mit dem Kind des Königs schwanger zu sein. Plötzlich überfiel mich Angst um
das Kind. Isabella hatte enorme Anstrengungen unternommen, ihren Bastard vor Unheil zu bewahren. Menschen waren gestorben, nur weil das Geheimnis seiner Existenz nicht preisgegeben werden sollte. Ich wusste noch um die Hilflosigkeit, die ich empfunden hatte, als ich mit Bella hochschwanger war. Diese
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