Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
mit der er nur wenige Jahre verheiratet gewesen war, und freute sich über die Gelegenheit, seinem Haus in der Nähe Londons zu entfliehen, in dem ihn jeder Raum an ihr qualvolles Sterben erinnerte. Sie war zu Beginn ihrer Schwangerschaft die Treppe hinabgestürzt, hatte das Kind verloren und am Ende sogar ihr eigenes Leben. Monatelang hatte sie im Bett gelegen, sich kaum bewegen können und nur wenig gesprochen, während sie von ihrer Mutter versorgt worden war. Wir sprachen viel über unsere verstorbenen Ehepartner, und mit der Zeit schien er alles gesagt zu haben, was ihm dazu auf dem Herzen lag, und er lenkte das Gespräch auf meinen sich ankündigenden Nachwuchs, auf Bella und John oder auf die Arbeiten, die auf meinen Besitzungen wie auf seinen eigenen anstanden – denn er hatte damit begonnen, selbst ein paar kleine Grundstücke zu erwerben. Ich hatte das Gefühl, mit ihm über alles sprechen zu können. Die Kinder sahen in ihm ihren Onkel, ich einen aufrichtigen Freund, dessen unkomplizierte Gesellschaft ich sehr genoss. Es war eine glückliche Zeit.
Solange Schnee lag, hielt auch der traumhafte Zustand meines gemütlichen kleinen Hausstands an. Selbst bis weit ins Tauwetter hinein suchten uns weder Besucher noch Boten
auf. Erst Anfang April, gegen Ende der Fastenzeit, traf ein Brief von Edward ein, in dem er ankündigte, dass eine Eskorte unseren Sohn John am Vorabend des Sommererntefests vom königlichen Jagdschloss nahe Fair Meadow abholen würde. Das Fest fand alljährlich am 1. August statt, also würde mein Sohn mich in weniger als vier Monaten verlassen.
Ein weiterer Rückschlag kam Ende April, als Nan sich kurz nach Ostern ins Bett legte, nicht mehr aß und trank und nach zwei Tagen einfach zu atmen aufhörte. Es gab nicht eine Menschenseele im ganzen Haus, die den Verlust ihres freundlichen Wesens nicht beklagt hätte.
Bella war die Erste gewesen, die bemerkt hatte, dass Nan gestorben war. Sie hatte ihr Ohr auf die eingefallene Brust gedrückt und dann nach der Hand gefühlt, die bereits kalt und leblos gewesen war. Ihr Schrei hatte mich zu ihr eilen lassen. Nach der Beerdigung schien meine Tochter ihre Tage nur noch im Gebet zu verbringen. Pausenlos bewegten sich ihre Lippen, während sie ihren Arbeiten im Haus nachging. Lediglich zu ihren Unterrichtsstunden hielt sie darin inne. Ich selbst hatte zwar auch in meinem Leben stets in Gebeten Trost gefunden, dennoch fürchtete ich, Bellas Frömmigkeit würde womöglich ihren leidgeplagten Kindertagen entspringen, als ich am Hof leben musste und ihr in ihrer Trauer um den heiß geliebten Vater nicht hatte beistehen können.
Aber dank ihres Vorbilds gewöhnte auch ich mir wieder an, täglich zu beten, anfänglich für die Seele der geliebten Nan, später für mich, meine Familie und meinen gesamten Hausstand. Dabei fiel mir auf, dass ich immer häufiger auch Robert in meine Gebete einschloss, da ich ihm für die Sicherheit, die er meiner Familie schenkte, sehr dankbar war. Und jedes Mal war Bella in der Kapelle an meiner Seite, völlig versunken in Andacht.
Eigentlich hätte es mich also nicht überraschen sollen, als sie Ende Juni an ihrem dreizehnten Geburtstag den Wunsch äußerte, ins Kloster zu gehen. Doch da diese Erklärung nur etwa einen Monat vor dem Tag erfolgte, an dem der kleine John das Haus verlassen würde, schnürte mir die Vorstellung eines doppelten Verlusts das Herz zusammen.
»Ist es wirklich eine Berufung, Liebes, oder etwas anderes? «, fragte ich. »Hast du bedacht, was allem du entsagst, wenn du das Gelübde ablegst? Der Liebe eines Gemahls? Der Freude eigener Kinder?«
Bella war so anmutig, es schien mir ein Sakrileg, sie in einen Kreis spröder alter Frauen fortzuschließen, die entweder das Leben nie wirklich kennengelernt oder als trauernde Witwen einen sicheren Zufluchtsort gesucht hatten. Mein Bedenken war, dass sie erst eine recht vage Vorstellung von dem hatte, worauf sie da verzichtete, und dass ihr Leben bedrückend und unbefriedigend verlaufen würde, sollte sich ihr Entschluss als vorübergehende Laune erweisen.
Sie senkte ihren Kopf und sah mich von unten herauf mit einem Stirnrunzeln an, das auch Janyn immer aufgesetzt hatte, wenn ich nicht so reagierte, wie er es erwartete. »Fällt es dir denn so schwer, mir zu glauben?«, fragte sie.
Ich wünschte mir, von meiner Schwangerschaft nicht bereits so dick und ungelenk geworden zu sein und sie einfach in meine Arme schließen zu können. »Nein, Bella, deshalb
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