Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
mochten – dem Reiten und Jagen, der Falknerei, dem Tanz und der Musik, den leidenschaftlichen Liebesnächten, dem Schachspielen. Diese gemeinsam verbrachten Momente hatten uns beiden Schutz und Kraft verliehen. Jetzt klammerte sich Edward an mich, wenn wir in seinen Gemächern allein waren, und in der Öffentlichkeit musste ich immer häufiger eine Art Pförtnerrolle übernehmen, denn vor großen Ereignissen pflegte Edward mich anzuweisen, ihm etwa diesen Bischof oder jene Hofdame vom Hals zu halten.
»Aber wie, mein Liebster?«
»Nimm mich einfach so am Ellbogen und führe mich fort, oder flüstere mir etwas ins Ohr.«
»Aber diese Leute stehen über mir, Edward. So etwas schickt sich nicht für mich!«
»Ich verlange von dir nichts, was Philippa nicht auch getan hätte.«
»Aber sie war die Königin, Edward. Das bin ich nicht.«
»Du wirst es tun, Alice.«
Ich hatte in alles einzuwilligen, etwas anderes kam für ihn nicht infrage.
Dabei stand es mir nicht zu, in die Rolle der Königin zu schlüpfen. Und ich hätte ihn auch nicht zu Treffen begleiten sollen, bei denen Dinge besprochen wurden, in die ich nicht hätte eingeweiht sein dürfen. Meist war ich die einzige
Frau im Raum und schrumpfte förmlich unter den missbilligenden, ja fassungslosen Blicken der anderen in mich zusammen.
Seit ich Edward auch als Pflegerin und ständige Begleiterin diente, fühlte ich mich stärker denn je als eine Art Nebenfrau von ihm. Meine Rolle war inzwischen viel zu öffentlich. Ich kam mir anmaßend vor und wusste genau, auf diese Weise nur noch angreifbarer zu werden. Geoffrey hatte mich dazu beglückwünscht, in Vergessenheit geraten zu sein. Das hatte nicht lange angehalten.
Im Spätsommer, nur einen Monat nach meiner Rückkehr zu Edward, hatten wir erneut Anlass zum Trauern. Der junge Edward, ältester Sohn und Stammhalter von Prince Edward und Princess Joan, war in der Gascogne verstorben. Ich fühlte mit Joan. Aufgrund des schlechten Gesundheitszustands des Prinzen würde sie wahrscheinlich keine Kinder mehr bekommen. Damit stand ihr jüngerer Sohn, der vierjährige Richard, nun hinter seinem Vater an zweiter Stelle der Thronfolge. Es schien besonders grausam, dass dieser Schicksalsschlag sie ausgerechnet ereilte, als sie bereits ihre Rückreise nach England vorbereiteten.
In den zwölf Jahren, die ich inzwischen am Königshof lebte, hatte Edward schon so viele geliebte Menschen verloren – Angehörige, Jugendfreunde, seine getreuesten Heerführer – , doch der Tod seines Enkels, dieses prächtigen Jungen, der bislang an zweiter Stelle der Thronfolge gestanden hatte, war wie eine Bürde, deren Last sein Vertrauen in eine glorreiche Zukunft seines Königreichs endgültig sinken ließ. Sicherlich hatten die langwierige Erkrankung von Prince Edward und dessen unberechenbares Verhalten als Herrscher von Aquitanien ebenfalls zur Niedergeschlagenheit meines Liebsten beigetragen. Und auch Edward war klar,
dass Joan und Edward wohl keinen weiteren Erben mehr bekommen würden. Daher musste der kleine Richard unbedingt rasch in den Schutz des Königshofs zurückkehren.
Ich sandte William Wykeham einen Boten, um ihn zu fragen, ob er seine Aufgaben kurz ruhen und zu Edward kommen könne. Als Lordkanzler und enger Berater des Königs hielt er sich zwar häufig bei Hofe auf, aber der fromme, stets Mut zusprechende Geistliche bekleidete schließlich auch das Amt des Bischofs von Winchester, und in dieser Zeit voll Kummer und Leid hoffte ich, dass gerade seine seelsorgerischen Fähigkeiten Edward Halt verleihen und etwas von seiner Sorgenlast nehmen würden. Wykeham eilte nach King’s Langley, wo er vierzehn Tage blieb und häufig noch bis tief in die Nacht bei Edward saß, ihm zuhörte, mit ihm betete und ihn tröstete.
Ich nutzte die Gelegenheit, um Wykeham zu gestehen, wie unbehaglich mir meine immer öffentlicher werdende Rolle in Edwards Leben war.
»Wirklich wichtig ist nur, dass Seine Hoheit durch Euch Ruhe und Entspannung findet, wodurch er wiederum die Kraft gewinnt, sein Königreich zu regieren«, machte Wykeham mir deutlich. »Ich weiß, dies ist nicht einfach für Euch, aber Gott wird Euch dereinst für Eure treue Hingabe zum König belohnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Herr Euch im Stich lassen wird.«
»Ihr habt mir früher einmal geraten, stets die Unsicherheit meiner Stellung zu bedenken, weil sich am Hofe jeder auf Treibsand bewegt.«
»Daran hat sich auch nichts geändert. Aber das muss
Weitere Kostenlose Bücher