Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
alle anderen im Saal, und ihr freundlicher Blick und das liebreizende Lächeln, mit dem sie mich aufrichtig herzlich begrüßte, wärmten mir das Herz. Eine Verbündete war zurückgekehrt.
Später, nachdem er sich etwas hatte ausruhen können, gelang es dem Prinzen, zu Fuß von seinem Gemach zu dem des Königs zu gehen, wo das Begrüßungsmahl stattfinden sollte. Er wurde dabei sowohl von Joan als auch von einem Knappen gestützt, bemühte sich aber um eine aufrechte Haltung und schenkte seinem Vater eine leichte Verbeugung, bevor er seinen Platz an der Tafel annahm. Das Gespräch drehte sich um Kanalüberquerungen und die Bestattungszeremonien für den jungen Edward, die von John in der Kathedrale Saint-André in Bordeaux ausgerichtet werden sollten. Lancaster hielt sich noch immer in Frankreich auf.
Nachts lag Edward weinend in meinen Armen. »Er war der Verwegenste von uns allen, mein prächtiger Sohn und Thronfolger! Jetzt ist er ein aufgequollenes, missgestaltetes Geschöpf, gelähmt von der Erniedrigung.«
Zu Beginn der Frühandacht am nächsten Morgen kniete sich Princess Joan neben mich. Es war angenehm, sie an meiner Seite zu wissen, ihr ebenso blumiges wie würziges Duftöl zu riechen und ihre leisen Gebete zu hören, während sie die Paternosterperlen aus Elfenbein und Gagat durch die Finger gleiten ließ. Der König saß oben, warm eingepackt, in seinem abgetrennten Bereich. Er hatte wenig geschlafen.
Nach der Messe fragte Joan, ob sie mich zu meiner Kammer begleiten dürfe.
»Es ist so lange her, seit wir uns das letzte Mal unterhalten haben. Ich möchte hören, wie es meiner Namensschwester Joan geht und wie es John im Hause der Percys gefällt. Und die holde Bella – ist es wahr, dass sie in Barking ist?«
Als ich ihr mein Beileid zum Tode ihres Sohnes ausdrückte, drückte sie meine Hand. »Lasst uns nicht von meinem Gram sprechen, nicht an diesem Morgen, Alice. Ich muss irgendwie einen Weg zu neuer Lebensfreude finden.«
In meiner Kammer brachte ich meinen neuesten Schatz zum Vorschein, einen langen Spiegel, den Edward mir kürzlich geschenkt hatte. Gwen war rasch so geschickt in seinem Umgang geworden, dass ich mich nur ein wenig drehen musste, und schon konnte ich mich zum ersten Mal in meinem Leben fast in ganzer Größe sehen.
Auch ich hatte in letzter Zeit etwas zugenommen. Nicht so viel wie Joan, aber genug, um Änderungen an den meisten meiner Kleider erforderlich zu machen. Nun stand ich vor dem Spiegel und studierte missmutig mein Spiegelbild.
Joan lachte. »Ihr seid so hübsch, Alice, und noch so jung! Genießt Eure Zeit, meine Freundin.« Sie trat einen Schritt vor. »Und jetzt halt ihn bitte einmal für mich hoch, Gwen.«
Joan sah wundervoll aus an diesem Morgen. Ihr Kleid war so geschnitten, dass es geschickt ihre Brüste betonte und ihre kräftiger gewordene Taille verbarg.
»Geschneidert ist alles hervorragend, aber der Körper ist entsetzlich gealtert«, sagte sie mit aufgesetzt finsterer Miene. »Dies ist jedenfalls kein Weg zu neuer Lebensfreude!« Ihr Seidenstoff raschelte, als sie auf der Bank am Fenster Platz nahm und das Kissen neben sich tätschelte. »Und jetzt kommt, erzählt mir von Euren Liebsten.«
Wir unterhielten uns eine Stunde oder länger. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel gelacht. Sie beschrieb glanzvolle Feste und Turniere, lächerliche Lords und Ladys, herrliche Parks und Wasserläufe. Als sie mich verließ, hatte ich das Gefühl, etwas über Bordeaux und über die Gründe, warum es ihr dort so gefiel, erfahren zu haben. Aber nichts über den Tribut, den es ihrer Familie abverlangt hatte.
Zu meinem größten Unbehagen ließ Prince Edward mich später an diesem Vormittag in sein Gemach rufen, um sich nach dem Gesundheitszustand und der geistigen Verfassung seines Vaters zu erkundigen. Wie es schien, waren Vater und
Sohn gleichermaßen bestürzt über die Veränderungen, die der jeweils andere in der Zwischenzeit durchgemacht hatte.
»Mylord, mit aller Hochachtung, vielleicht wäre es das Beste, Ihr würdet Eurem Vater oder seinen Leibärzten solche Fragen nach Seiner Königlichen Hoheit stellen. Weder verfüge ich über die Kundigkeit noch steht es mir zu, mich zum Gesundheitszustand Seiner Hoheit zu äußern.«
»Wer denn sonst?«, stieß Prince Edward mit einem lauten brüchigen Lachen hervor. »Ich wette, Ihr seid mit seinem Leib und seinen Stimmungen vertrauter als sonst jemand im gesamten Königreich! Immerhin hat er Euch bereits zwei
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