Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
früh bis spät.
Fürwahr, zu borgen braucht sie Tränen nicht!
An ihrer Pein das Schlimmste jedoch war:
Kein Mensch, dem sie gewagt, sich zu erklären.«
GEOFFREY CHAUCER:
TROILUS UND CRISEYDE, V 722 – 728
WEIHNACHTEN 1371
Bei den Weihnachtsfeierlichkeiten bezauberten Edward und ich die Gäste mit Gewändern aus goldenem Tuch und einem Kopfputz, der Schiffe in voller Fahrt zeigte, wobei die Takelage aus dem gleichen Goldfaden bestand, der auch als Schussfaden im Tuch meines langen Surcots und seiner Gewänder eingearbeitet war. Der Kopfschmuck sollte die Absicht Edwards symbolisieren, im Sommer gen Frankreich zu segeln, um Aquitanien zurückzuerobern. Dazu trugen wir in Gold gefasste Smaragde und Diamanten. Die Kettfäden unserer Stoffe waren grün, und auch die Bedienten hatten einheitliche Livreen aus grünem, mit Goldstickereien verziertem Tuch bekommen. Prince Edward und Princess Joan trugen ähnliche Gewänder und ähnlichen Kopfschmuck wie
wir, und auch viele Höflinge nahmen bei ihrem Kopfputz maritime oder kriegerische Motive auf. Edward und seine Schwiegertochter begriffen das Gold und Grün als die Sonne über den aufgewühlten Wellen des Kanals, und ihnen gefiel die Vorstellung, wie die Festtagsgesellschaft von der Decke des Rittersaals her aussehen musste – eine Flotte, die über ein sonnenbeschienenes Meer dahinsegelte.
Die höchst eindrucksvolle Wirkung des Bilds konnte ich zwar nicht abstreiten, doch ich bedauerte, dass Edward sich mit diesem Thema durchgesetzt hatte, denn das Vorhaben, das all dem zugrunde lag, würde mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Niederlage enden. Karl V. von Frankreich hatte sich überraschend erfolgreich darin gezeigt, die mächtigen Adligen in Aquitanien wieder auf seine Seite zu ziehen. Viele glaubten, es wäre für Edward oder sonst irgendjemanden bereits zu spät, die Entwicklung dort noch aufzuhalten.
Befürchtungen hegte ich zudem hinsichtlich der Kritik, die mein Anteil an diesem rauschenden Fest bei Hofe erregen würde. Da ich weder der königlichen Familie angehörte noch von adligem Geblüt war, hätte ich nicht so im Vordergrund stehen dürfen.
»Ich bin der König«, hatte Edward erklärt. »Sie erwarten, dass ich glanzvoll auftrete. Und du bist die Mutter meines jüngsten Sohnes und meiner Töchter. Die Höflinge werden es nicht wagen, dich zu rügen.«
Allerdings hätte er sich seinerzeit auch nicht vorstellen können, dass die gemeinen Abgeordneten ihn dazu zwingen würden, seinen Lordkanzler Wykeham um Rücktritt zu ersuchen. Dass er einfach die Augen davor verschloss, wie viel Macht er bereits eingebüßt hatte, bedrückte mich schwer. Dies könnte einst unseren Untergang bedeuten, fürchtete ich. Und im Rückblick dürfte darin tatsächlich unser erster schwerwiegender Fehler gelegen haben.
Anfang Februar hieß London und der gesamte Hofstaat Duke Johns neue Braut, die Duchess Constance, in der Stadt willkommen. Sie war dunkel und hager, nicht hübsch, aber keineswegs reizlos. Ihren Bewegungen haftete eine gewisse Steifheit an, ihre dunklen Augen blickten misstrauisch, und ihre Art gefiel nicht unbedingt jedem.
Als ich ihr vorgestellt wurde, würdigte sie mich keines Blickes, lenkte das Gespräch rasch auf ein anderes Thema und schritt davon. So viel Feindseligkeit, auch wenn sie unausgesprochen blieb, erschütterte mich.
Princess Joan meinte beruhigend, dass sie alle die beißende Schärfe ihres spanischen Hochmuts zu spüren bekämen.
»Ihr bedürft ihrer Anerkennung nicht. Duke John ist Euer Freund, genauso wie der Prinz«, erklärte Joan. »Das wisst Ihr doch, oder? Sie sind sich alle darüber im Klaren, wie tief sie in Eurer Schuld stehen dafür, dass Ihr Euch um ihren Vater kümmert.«
»Das weiß ich alles, Joan. Aber es bedeutet nicht, dass ich alles auf die leichte Schulter nehmen könnte.«
Sie tätschelte meinen Arm und sagte, der König würde gerade in unsere Richtung schauen und wünsche mich offenbar an seiner Seite. »Ihr seht mehr nach einer Königin aus, als Philippa es je getan hat«, meinte sie noch, als ich mich zum Gehen wandte.
Diese Bemerkung ließ mich schaudern. Hoffentlich war niemand sonst dieser Meinung. Joan sah aus wie eine Königin, und ihr gebührte dies auch voll und ganz. Sie würde zu gegebener Zeit eine prächtige Königin abgeben. Ich hoffte nur, ihr Gemahl erholte sich bis dahin so weit, dass er weise und ohne jene Bitterkeit regieren würde, die sein Wesen zuletzt so verdüstert hatte.
Ich
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