Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
hatte Richard
dem Prinzen eine Schenkung als Gegenleistung für dessen Schutz angeboten, war aber zurückgewiesen worden. Prince Edward hatte zudem Stury dafür gerügt, dem König nur geschönte Tagesberichte über die Parlamentssitzungen erstattet zu haben. Gewiss hatte Stury lediglich versucht, den König zu schonen, doch dem Prinzen ging es zu schlecht, und sein Geduldsfaden war viel zu kurz, als dass er an sich gehalten und erst bedacht hätte, wie das Parlament seinen Wutausbruch auslegen würde. Alle Wände, so schien es, hatten Ohren. Jedes einzelne Wort musste sorgsam gewählt werden.
Alles geschah plötzlich so rasch, dass ich kaum mehr zu Atem kam. Es war, als würde all das Gift, das sich über Jahre hinweg in den Herzen und Köpfen der Leute angesammelt hatte, mit einem Schlag hervorspritzen. Kaum hatte ich von Richards beschlagnahmtem Vermögen erfahren, da erreichte mich die schreckliche Nachricht, dass Prince Edward schwer erkrankt war. Seine Ärzte glaubten, er werde in den nächsten Tagen sterben. Der Prinz hatte mich einbestellt, um mir noch einmal das Versprechen abzunehmen, seinen Vater, sobald er einen seiner Anfälle erlitt, vor den Augen jener zu schützen, die ihn verspotten und seine Abdankung fordern würden. Mein Bruder riet mir zwar, dem Hof fernzubleiben, aber ich wollte gehen. John verstand meine Rolle am Hofe nicht, konnte sie gar nicht verstehen.
Während ich mich noch um eine Barke bemühte, erfuhr ich, dass John Neville nicht länger Truchsess des königlichen Hofstands war. Selbst der Angehörige einer mächtigen Familie konnte also stürzen. Robert und Gwen versuchten mich davon abzubringen, nach Westminster zu fahren. Die Angst in ihren Mienen spiegelte meine eigene. Doch ich hoffte weiterhin, mir den Prinzen gewogen zu halten, wenn ich seiner Aufforderung nachkam.
»Aber liegt er nicht im Sterben?«, fragte Robert. »Wie kann er dir da helfen?«
Noch nie hatte ich eine solche Besorgnis in seiner Stimme gehört. Auch meine eigenen Hände waren schweißnass vor Angst.
»Robert, ich muss es versuchen. Für Joan und Jane.« Bellas Mitgift war in Barking ungefährdet. »Für Seine Hoheit.«
»Du brauchst ihn nicht mehr. Keinen von ihnen. Ich werde mich um dich und deine Töchter kümmern, Alice. Ich verspreche es dir.«
Ich schloss dieses Versprechen tief in meinem Herzen ein, ohne es einstweilen richtig erfassen und gar annehmen zu können. Trotz des Gefühls, selbst unmittelbar von Verrat bedroht zu sein, spürte ich mich Edward und seiner Familie noch verbunden.
Am Vorabend von Trinitatis, dem Dreifaltigkeitsfest, das Prince Edward ganz besonders schätzte, traf ich im Schutze der Dunkelheit ein. Ich wurde in die Gemächer des Königs geführt, wo ich Edward zu meiner großen Betrübnis reichlich verwirrt vorfand. Ich hielt ihn die ganze Nacht in den Armen und sang seine Lieblingslieder, während er um seinen Sohn weinte. Jetzt war mir klar, dass Robert Recht gehabt hatte. Der Tod war bereits in den Palast eingezogen.
Der Prinz starb am nächsten Tag, ohne sich daran zu erinnern, dass er nach mir geschickt hatte. Ich fühlte mich innerlich kalt und taub, doch als Edward vom Totenlager seines Erstgeborenen zurückkam und mit seinem fahlen Gesicht und den eingefallenen Wangen selbst fast wie der Tod aussah, da wusste ich, Gott hatte es gewollt, dass ich in diesem Moment hier war und mich um ihn kümmerte.
»Jetzt ist mein Thronfolger bloß ein Kind, Alice. Wie der kleine Richard dastand, so schmächtig und die Augen viel
zu groß für sein holdes Gesichtchen. Die Barone werden ihn zermalmen.«
»Mein Lieb, mein Lieb, es liegen noch viele glückliche Jahre vor dir, bis der junge Richard deinen Platz einnehmen muss.«
Edward griff nach seiner samtenen Kappe, schob sie sich seitlich vom Kopf und ließ sie dann auf den Boden fallen, als würde bereits die Mühe, sie in die Hand zu nehmen und auf den Tisch zu legen, seine Kräfte weit übersteigen. Das dünne weiße Haar hing strähnig herunter, und da seine Kopfhaut von der Anstrengung des Gehens gerötet war, traten die kahlen Stellen deutlicher als sonst hervor.
»Lass mich dich entkleiden und dir mit in Duftwasser getränkten Tüchern Kühlung verschaffen.«
Er seufzte und hob seine Arme, damit ich ihm die Gewänder ausziehen konnte.
Während ich ihn wusch und anschließend mit wohltuenden Ölen einrieb, murrte Edward über das Parlament, das ihm Neville gestohlen hätte. Sein Körper fühlte sich anders an, irgendwie
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