Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
gesagt, Edwards finanzielle Schwierigkeiten zu unserem eigenen Vorteil ausgenutzt. Ihrer Meinung nach hatte sich der König in seiner Altersschwäche von uns hinters Licht führen lassen, und wir würden ihn steuern – wobei sie der Einfachheit halber den großen Einfluss und die ständige Mitwirkung von Prince Edward und dem Duke of Lancaster übersahen.
Die Anschuldigungen gegen Richard Lyons bereiteten mir für ihn wie für mich Sorge. Es traf zu, dass er von Edwards finanziellen Problemen profitiert hatte, doch gerade sein Geschick in Geldgeschäften war es gewesen, was den König einst auf Richard aufmerksam gemacht und diesem einen inoffiziellen Platz im königlichen Rat eingebracht hatte. Richard war es gewesen, der nicht nur mir, sondern allen jetzt beschuldigten Höflingen erklärt hatte, wie sich Edwards Schuldbriefe für einen geringen Betrag aufkaufen ließen, um anschließend mit den Schuldherrn eine niedrigere Begleichungssumme
auszuhandeln. Im Lauf der Zeit waren die Gläubiger mit diesen Übereinkünften indes immer unzufriedener geworden, und Peter de la Mare brachte ihren Missmut nun öffentlich zum Ausdruck. Zu allem Übel war Richard als Flame auch noch Ausländer, dazu von niederer Geburt und unehelich. Dass der König einem solchen Mann gar stark genug vertraute, ihn zum Wardein der Königlichen Münze zu ernennen und hohe öffentliche Ämter in ihrer Stadt bekleiden zu lassen, erzürnte die Londoner besonders.
Richard und ich waren höher aufgestiegen, als es unsere Herkunft üblicherweise zuließ. Wir galten als Eindringlinge in Kreise, die uns nicht zustanden, hatten uns arglistig die Gunst des Königs erschlichen. Ich sah noch die zornigen und ungläubigen Blicke vor mir, als ich in meinen goldenen Gewändern durch Cheape gezogen war. Was, um Gottes willen, hatte Edward sich nur dabei gedacht? Jetzt hassten die Gemeinen sowohl Richard als auch mich.
Ich erfuhr mancherlei, was mir zuvor unbekannt gewesen war, und wusste zugleich genau, dass es mir niemals gelingen würde, irgendjemanden von meiner Nichtbeteiligung an den verwerflichsten Gewinnmachereien zu überzeugen, denn auch ich hatte Schuld auf mich geladen. Ich hatte Edwards Freigebigkeit angenommen und mit ihrer Hilfe Dinge erworben, die meine Zukunft absichern sollten.
Mein Bruder John wagte einen Besuch in Gaynes. Wir saßen auf der Bank am Fenster meines Schlafgemachs und unterhielten uns.
»Die Abgeordneten stoßen sich an der Rolle, die Richard Stury bei Hofe spielt. Sie werfen ihm die Vormundschaften, Ländereien, Ämter und vorteilhaften Vermählungen vor, mit denen der König seine Dienste belohnt hat, sagen allerdings nicht, was in dieser Angelegenheit unternommen werden soll.«
»Selbst Stury?«, entfuhr es mir. »Es gibt nur wenige, denen Edward mehr vertraut. Er hat seine Ergebenheit und seinen Wert für den König seit mindestens elf Jahren unter Beweis gestellt.«
Die Gemeinen werteten die Gunstbezeugungen, die Edward für treue Dienste gewährte, als Schwäche seinerseits. Sie hatten offensichtlich vergessen, dass jeglicher Besitz im Königreich von Königs Gnaden vergeben war und alle Herrscher mit solchen Zuwendungen besondere Treue belohnten – zumindest hatte Edward es mir so erklärt. Ich begriff nun, dass ich in den Augen anderer durch die Annahme solcher Liebespräsente Unrecht getan hatte.
Ich zog ein Kästchen mit Geschenken Edwards hervor, an denen mir am meisten lag – vor allem Perlen, aber auch der mit Lapislazuli besetzte Kamm, den er mir vor vielen Jahren ins Haar gesteckt hatte, sowie der Rubinring und die Brosche, die er mir in der Nacht schenkte, in der ich ihm erzählte, dass ich mit unserem ersten Kind schwanger war.
»Würdest du dies an dich nehmen und für mich aufbewahren, John? Diese Dinge bedeuten mir ungeheuer viel.« Ich gab ihm keineswegs alles. Sollten sie kommen, um mir meinen Schmuck abzunehmen, würden sie so nur die kostbarsten Stücke finden und nicht weitersuchen.
Die tiefe Furche zwischen den Augen, die hervortretenden Kieferknochen, es war frappierend, wie sehr der Gesichtsausdruck meines Bruders in diesem Moment dem meines Vaters ähnelte. Aber seine Schultern sackten nicht herab wie bei Vater, sobald der Druck wuchs. John nahm das Kästchen an sich. »Ich bin immer froh, wenn ich dir helfen kann, Alice. Du musst nur fragen.«
Ende Mai wurden Anordnungen erlassen, das Hab und Gut von Richard Lyons und den anderen beschuldigten Kaufleuten zu beschlagnahmen. Angeblich
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