Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
eine bezaubernde Umgebung. Von der milden, betörend duftenden Luft aus der Andacht in der Kapelle gelockt, waren Edward und ich in den Maimorgen hinausgetreten, wo wir im Park die plötzlich aufsprießende Farbenpracht bewunderten und den alle Sinne umschmeichelnden Frühlingswind genossen.
»Lass uns heute Abend hier draußen speisen«, erklärte Edward.
Ich stimmte ihm zu und wollte schon nach einem Bedienten rufen, als Edward fest meine Hand umklammerte. Beim Anblick seines schmerzverzerrten Gesichts rief ich sofort nach den Wachen, mir zu helfen, ihn in seine Gemächer zurückzubringen. Noch nie hatte ich eine solche Qual im Gesicht eines Menschen gesehen.
»Mein Kopf, mein Kopf«, stöhnte er, als die Wachen ihn
auf sein Bett legten. Stury gelang es, meine Hand aus Edwards verzweifeltem Griff zu lösen. Nun trat der Tod an meine Stelle und lockte ihn von mir fort.
Ich saß neben Edward auf dem Bett und flehte ihn an, mich anzusehen, mit mir zu sprechen. Seine Augen schienen nicht in der Lage, mich zu fixieren. Seine Worte wurden zu einem unverständlichen Gestammel. Der Tod lachte über meine Hilflosigkeit.
An die folgenden Tage kann ich mich nur undeutlich erinnern. Ich blieb an seinem Sterbelager, solange es mir erlaubt wurde, oft jedoch geboten mir seine Ärzte, etwas zu essen, zu schlafen, an die Luft zu gehen oder zu reiten.
»Er wird Euch brauchen«, ermahnte Master Adam mich. »Ihr dürft jetzt nicht krank werden.«
Gwen kümmerte sich um mich, wie ich mich um Edward gekümmert hatte. Ich wusste nicht mehr weiter. Meine einzige Aufgabe bestand darin, mich um den Schatten jenes Mannes zu kümmern, den ich einst geliebt hatte.
Nach und nach erholte Edward sich so weit, dass er ein wenig sprechen und sich für kurze Momente aufsetzen konnte. Der Tod spielte mit ihm.
Ich schickte nach Wykeham. Mir war es gleichgültig, wie Lancaster darüber denken mochte. Edward wusste, dass er sterben würde, und brauchte einen Menschen, dem er vertraute, der ihn liebte, um bei ihm die letzte Beichte abzulegen.
Edward lebte noch einige Wochen in einem traumähnlichen Zustand, so gebrochen und entkräftet, dass ich in meinen Gebeten darum bat, er möge aus dem Kerker seines nicht mehr gehorchenden Körpers befreit werden. Ich fürchtete mich zwar vor den Folgen, die der Verlust seines Schutzes für mich und meine Kinder bedeuten würde, und erinnerte mich nur allzu gut an das Entsetzen, mit dem Janyn
und seine Mutter die Nachricht vom Tod ihrer Beschützerin aufgenommen hatten, aber ich konnte es einfach nicht ertragen, ihn so entwürdigt zu sehen. Der Tod war wie eine Katze, die mit ihrem Opfer noch ein wenig spielte. Ich betete um Edwards Erlösung.
Am 21. Juni erlitt er einen weiteren furchtbaren Schmerzstich im Kopf und schrie wehklagend auf. Der Diener, der mit mir gewacht hatte, eilte davon, die Ärzte zu holen. Aber Edward presste meine Hand so hart, als wolle er mich den Schmerz mitfühlen lassen, und wenige Momente später hatte er sein irdisches Gefängnis verlassen und seinen ewigen Frieden gefunden.
In höchster Anspannung hatte ich jedem seiner qualvollen Atemzüge gelauscht, und als sie nun aufhörten, hörte auch ich zu atmen auf. In meiner Vorstellung breitete der Tod seinen alles Licht verschluckenden Mantel über Edward aus, und ich verspürte einen Anflug von Panik. Ich musste ihm folgen. Edward brauchte mich doch. Schmerz bemächtigte sich meiner, ließ mich vornüberkippen. Endlich rang ich wieder nach Luft. Alle die Qualen, die es gekostet hatte, Edwards Leid mitzuerleben, brannten nun in mir, alle die Empfindungen, die ich vor ihm hatte verbergen müssen.
Ich drückte Edwards Hand, diese große, einst so schöne, so warme und verführerische Hand, und dachte daran, wie mir bisweilen schon bei einer bloßen Berührung von ihm die Sinne geschwunden waren. Ich fühlte den Siegelring, erinnerte mich an Edwards Wunsch und löste meine Hand schweren Herzens aus seinem Todesgriff, um mein Versprechen einzulösen. Beim Abstreifen stellte ich mich so unbeholfen an, dass ich seinen Finger aufscheuerte. Weinend verbarg ich den Ring in meinem Schnürleib. Als die Ärzte eintrafen sowie Lancaster und Thomas of Woodstock, wiesen
sie mich an, den Raum zu verlassen. Ich warf mich über Edwards Leiche, wollte, dass ihn sonst niemand berührte, denn ich wusste, andernfalls würde seine Seele im selben Augenblick entschwinden. Ich war noch nicht bereit dazu. Master Adam löste mich von ihm. Dieses
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