Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
lassen, war sicherlich gut. Ich hatte viel Glück mit meinen Kindern gehabt. Nur zwei hatte ich vor der Geburt verloren und nur eines, das schon gewachsen und gediehen war. Vier entzückende Töchter und ein wunderbarer Sohn hatten überlebt.
In jenen Tagen begann ich, die Geschichte meines Lebens aufzuschreiben oder, um ehrlich zu sein, sie meiner Tochter Bella zu diktieren. Ich spürte mein Alter und fürchtete, der Tod könne mich ereilen, bevor Agnes Joanna und Geoffrey Gelegenheit hatten, mich kennenzulernen und die Geschichte aus meinem Munde zu vernehmen. Sie sollten nicht nur das Gerede über ihre Mutter hören, sondern alle Seiten kennen, um sich ein eigenständiges Urteil bilden zu können.
Mit siebzehn heiratete Joan den Anwalt Robert Skerne. Er war also zurückgekommen und hatte um sie gefreit. Jane heiratete Richard Northland, einen wohlhabenden Kaufmann, und unternahm mit ihm die Reise nach Italien, die ich so gerne mit Janyn gemacht hätte. Sie besuchte Mailand und traf zahlreiche Perrers, erfuhr jedoch nichts Neues über das Schicksal von Janyn und Tommasa. Ihrem Eindruck nach sprach die Familie nur sehr ungern über diese Vorfälle.
Joanna war ein kleiner Wildfang und stets zu Scherzen aufgelegt. Ständig umgeben von ihrer Familie, insbesondere den in sie vernarrten Eltern, verhielt sie sich unbefangener als ihre Schwestern und kannte keine Angst. Heiß und innig liebte sie ihren Bruder Geoffrey, der meinem vor langer Zeit verstorbenen Bruder Will so sehr ähnelte, dass meine Schwester Mary ihn häufig aus Versehen bei dessen Namen
rief. Er war ein Träumer und ebenso verrückt nach Tieren wie Jane. Ständig schleppte er irgendein krankes oder verwundetes Geschöpf an, das er pflegen musste. Ich achtete darauf, in ihm nicht einen Ersatz für meinen geliebten John zu sehen, sondern einen einzigartigen Menschen. Robert stellte ihn sich schon als gewissenhaften Landeigner vor, der Waldflächen erneuerte und die Erträge der Felder steigerte. Zu unserem großen Leidwesen starb Geoffrey mit eben sechs Jahren an Fieber.
Bei meinem letzten Besuch auf Kennington hatte Princess Joan über den Verlust meines Sohnes John gesagt: »Vielleicht ist es ja ein Segen, dass er nicht lange genug lebte, um Euch ebenso zu enttäuschen, wie mich meine Söhne enttäuscht haben.«
Ich hätte jedoch mit Freuden jede Enttäuschung auf mich genommen, um meinen Sohn Geoffrey erwachsen werden zu sehen. Obschon ich mir nicht denken kann, dass er mit einem Vater wie Robert als Vorbild uns jemals enttäuscht hätte.
Meine Töchter und ich kämpfen weiterhin vor Gericht gegen John Wyndsor. In meinem Testament habe ich verfügt, dass mit Ausnahme von Gaynes all meine Gutshäuser und Kirchenpatronate an meine Töchter Joan und Jane fallen sollen, einschließlich ›all dessen, was John Wyndsor oder andere sich mit seiner Einwilligung widerrechtlich angeeignet haben und von welchem ich erwarte, dass meine Erben oder Testamentsvollstrecker es zurückgewinnen und zwischen meinen Töchtern aufteilen, denn dies erkläre ich bei meinem Seelenheil: Er besitzt hier keine Anrechte und hat sie nie besessen‹. Manchmal wünschte ich, William hätte mir sein geändertes Testament nie gezeigt. Mögen meine Töchter diesen Streit gewinnen. Gaynes habe ich Joanna
vermacht. Und ich zweifle nicht daran, dass Robert in seinem letzten Willen alle meine Töchter ebenfalls großzügig bedenken wird.
Wir alle sind entsetzt über den Sturz unseres verehrten King Richard durch Lancasters Sohn und Erben, der sich jetzt Henry IV. nennt. Joans Ängste vor einer solch frühen Regentschaft ihres Sohnes fanden also auf tragische Weise Bestätigung. Geoffrey mag Harry, wie er ihn nennt, nicht. Und Harry mag Geoffrey nicht. Öffentliche Missbilligung ist sein bevorzugtes Machtinstrument, und Geoffreys Dichtung wurde als gefährlich verurteilt. Der Verlust liegt hier allein bei Harry, denn Geoffreys Epos von Criseyde ist die treuliche Zeichnung eines zerrissenen Herzens.
Mitunter verfalle ich ins Grübeln über das Vergangene. Hätte ich selbstsüchtiger sein sollen? Starrköpfiger, aufsässiger? War ich zu fügsam gewesen, zu schnell bereit, den Männern in meinem Leben zu geben, was sie zu begehren glaubten? Bin ich ein sündiges Frauenzimmer oder eine stets gehorsame Magd? Und stets gelange ich wieder zu dem rätselhaften Kern: Wann hatte ich je die Wahl, anders zu sein, als ich war?
Alles in allem kann ich mich glücklich preisen. Meine Liebe zu
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