Die Vertraute des Königs: Historischer Roman (German Edition)
weniger Rockstoff zu bewältigen. Wie weit entfernt der Boden plötzlich schien und wie nah der Himmel.
»Sie heißt Maundy, aber Ihr könnt gerne einen Namen aussuchen, der Euch besser gefällt, Mistress«, erklärte Master Thorne. Dann machte er ein kurzes schnalzendes Geräusch,
und sehr langsam, sehr behutsam begann das Pferd zu schreiten.
Es fühlte sich an, als würde ich ein Teil der Stute und sie von mir, und die Anmut, mit der wir uns bewegten, erfüllte mich mit einer eigentümlichen Mischung aus Entzücken und Seelenfrieden.
Master Thorne betrachtete erst das Gesicht der Stute, dann meins und nickte. »Diese Verbindung findet eindeutig Gottes Gefallen. Es wird mir ein Vergnügen sein, Euch Unterricht zu geben, Mistress Alice.« Zu bald schon bat er Großvater, mir beim Absteigen behilflich zu sein.
»Ich muss Maundy jetzt in den Stall bringen. Und Ihr werdet Euch morgen dort mit mir treffen, ganz früh am Morgen«, sagte Thorne. Die Stallungen, in der meine Großeltern ihre Pferde hielten, lagen ein kurzes Stück Weg entfernt.
Einer plötzlichen Regung folgend umschlang ich den Hals der Stute. Sie rieb ihr Maul an meinem Ohr. »Der Name passt nicht zu ihr«, sagte ich.
Master Thorne neigte seinen Kopf. »Wählt einen anderen, Mistress Alice, und wir werden ihn ihr angewöhnen.«
»Ein guter Beginn«, meinte Großvater, als Master Thorne die Stute aus dem Hof führte.
»Hast du schon einen Namen im Sinn?«, erkundigte sich Dame Agnes, als wir in die Halle zurückkehrten.
»Serenity«, sagte ich. »Denn heitere Gelassenheit ist genau das, was ich bei ihr empfinde.«
»Ein seltsamer Name für ein Tier«, meinte Dame Agnes amüsiert. »Aber er hat einen wunderschönen Klang.«
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug, da ich meine Zeit zwischen Reitstunden und den abschließenden Arbeiten an diversen Kleidern, Surcots und Untergewändern aufteilte.
»Warum beeilen wir uns eigentlich so mit den Kleidern?«, fragte ich eines Morgens. »Es sind doch noch viele Wochen
bis zu meiner Hochzeit, in denen dann nichts mehr zu tun sein wird.«
Großmutter lachte. »Nach seiner Rückkehr möchte Janyn dir deine künftigen Häuser zeigen, damit du ihm sagst, was du geändert haben möchtest und wie es geändert werden soll. Du wirst viel zu beschäftigt sein, um noch zum Nähen zu kommen, und dann wirst du uns vermutlich darum bitten, Kissen und Wandbehänge für die Schlafzimmer und Hallen anzufertigen. Außerdem müssen wir ja noch das Hochzeitsfest vorbereiten.« Der Gedanke an die gesellschaftlichen Festivitäten ließ Farbe in ihre Wangen und ein Leuchten in ihre Augen treten.
Ich sagte wenig, zu überwältigt davon, wie entfesselt alles um mich herum durcheinanderzuwirbeln schien. Aber ich war imstande, meine Besorgnisse zu verdrängen und immer wieder eins mit Serenity zu werden. Reiten entsprach so gar nicht dem, was ich erwartet hatte. Nie hätte ich für möglich gehalten, eine solche enge Verbundenheit mit dem Pferd zu empfinden, so intensiv zu spüren, auf einem lebenden Wesen zu sitzen. Die Kraft, mit der sich Serenity unter mir bewegte, ihre Reaktion auf die kleinsten meiner Bewegungen – ich wurde mir meines eigenen Körpers bewusst durch die Art und Weise, wie ich ihren spüren konnte.
Als Dame Agnes an diesem Abend auf der Kante meines Betts saß, um mir eine gute Nacht zu wünschen, gestand ich: »Ich habe Angst, dass mir das Reiten ein ungehörig großes Vergnügen bereitet.«
»Ach, meine liebe Alice«, murmelte Dame Agnes, strich mir das Haar aus der Wange und beugte sich herab, um mir einen Kuss zu geben. »Diese Empfindungen teilst du mit vielen anderen jungen Mädchen vor dir. Gott verdammt nicht die unschuldige Verbindung, die du zu deinem Pferd verspürst.«
Ich war überzeugt davon, dass sie mich liebte und mich ermutigen wollte, mein Glück zu genießen. Doch zugleich war sie darum besorgt, allem vorzubeugen, was später einmal zu Problemen führen könnte. Das las ich in ihren Augen, hörte ich in ihrer Stimme.
»Möge Gott mir gewogen sein, Dame Agnes«, sagte ich, »und möge ich Eurem Beispiel folgen, ein Haus mit Anmut und Würde zu führen, und möge ich Janyn eine gute Frau sein.« Und möge mir Vergnügen mit meinem Partner vergönnt sein, so wie sie es mit meinem Großvater erlebte.
Janyn kehrte eine halbe Woche früher, als von Dame Agnes erwartet, nach London zurück und versetzte sie damit in panische Umtriebigkeit. Sie bestand darauf, dass meine gesamte
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