Die Verwandlung der Mary Ward - Roman
hängte diesen und den weißen, vom Fleisch fleckigen Mantel an den Haken. Er hatte einen Koffer gepackt und auf diesen eine alte Gitarre geschnallt. Grace hatte weder von dem gepackten Koffer noch von dem Musikinstrument etwas gewußt. Sie saß in ihrer Kabine über der Wochenabrechnung und wußte von nichts.
Walter kam in einer Bomberjacke, die Grace noch nie gesehen hatte, die Treppe herunter. Er stellte den Koffer ab und sagte: »Ich gehe jetzt. Ich habe hundertmal versucht, dich darauf vorzubereiten, doch du hast mir ja nie zugehört.«
Der Laden blieb gerade eine Woche geschlossen. Grace hängte eine Mitteilung an die Kunden auf, in der sie sich für die Unannehmlichkeiten entschuldigte.
In dieser Woche machte ich einen meiner Spaziergänge zum Fluß. Es regnete an diesem Tag. Ich sah Grace still unter einem schwarzen Schirm stehen und auf das Wasser schauen. Ihr Anblick ließ mich an eine Fotografie denken.
Ich lud sie zu mir zum Tee ein und ließ sie vor dem Rayburn Platz nehmen. Sie hatte rote, trockene Augen und sagte: »Ich möchte Sie nicht stören.«
Nur selten ist jemandem sein Unglück so peinlich, daß er es mir nicht anvertrauen will. Das liegt daran, daß alle denken, meins sei schlimmer. Sie glauben, daß das Mountview eine Klapsmühle ist, wo es ähnlich schrecklich zugeht wie in dem Rotor auf der Kirmes von Battersea. Sie denken, wir fliegen darin herum, brechen uns alle Knochen und werden nur von der Zentrifugalkraft vor dem sicheren Tod bewahrt.
Ich machte uns Tee und bot ihr Pfannkuchen an. Grace legte die Hände um ihre Teetasse und sagte: »Walter ist weg. Mein Walter.«
Sie beschrieb mir die Bomberjacke, den Koffer und die Gitarre. Sie sprach auch von sich selbst in der Glaskabine: »Ich wußte nicht mehr, wo ich mit der Abrechnung war, Estelle. Ich mußte noch einmal ganz von vorn anfangen.«
Sie weiß nicht, wo er ist. Er hat sich geweigert, es ihr zu verraten. Er hat gesagt, er gehe an einen Ort, wo ihn niemand finden würde. Ich stellte mir sogleich eine Wildnis vor, in der sich der gute Walter eine Hütte aus Weidenruten baut. Was mir zuerst einfällt, ist nicht gerade immer sehr passend.
Ich fragte: »Was werden Sie tun, Grace?« Sie stellte ihre Teetasse ab, nahm einen Pfannkuchen, sah ihn sich an, legte ihn wieder auf den Teller zurück und sagte: »Ich habe Josephine gebeten zu kommen.«
Kurz darauf verabschiedete sie sich. Ich schaute ihr nach, wie sie über die Felder ging, bis sie meinen Blicken entschwunden war. Ich habe sie noch nie leiden können. Ohne es zu wissen, mag ich sie schon fast fünfundzwanzig Jahre nicht. Das sehe ich jetzt, zum Zeitpunkt ihrer Tragödie, ganz deutlich.
Ich beobachtete, was sie weiter tat.
Sie stellte einen neuen Fleischer aus Bungay ein, einen ständig lächelnden Mann. Er hat kräftige, dicke Hände. Sie ging in ihre Kabine zurück, als wäre nichts geschehen. Der Mann heißt Arthur.
Ich stellte mir Walter an verschiedenen Orten vor. Zuerst sah ich ihn in Afrika unter einem Dornbusch singen. Dann versetzte ich ihn nach Kansas. Dort waren er und eine Tankstelle mit einer Zapfsäule das einzig Herausragende in einer flachen gelben Welt.
Grace begann ihr Eierimperium auszubauen. Sie errichtete eine neue Fabrik mit tausend Hühnern. Manche Menschen überwinden ihr Unglück, indem sie reich werden.
Ihre Schwester Josephine zog zu ihr und kümmerte sich um das Haus. Sie machte im Wohnzimmer die Vorhänge zu, um das Verbleichen der Veloursamtpolster zu verhindern. Ich traf sie bei Cunningham, wo sie Gummiband kaufte. Als ich sie fragte, ob sie etwas von Walter gehört habe, sagte sie: »Es tut mir leid, Mrs. Ward, aber darüber möchte ich nicht sprechen.« Die Hühnerhäuser erinnern mich an die Hütten in Konzentrationslagern. Ich kann sie von meinem Zimmerfenster aus sehen. England war einmal ein schönes Land. Doch das ist lange her.
Pete Loomis weiß, wo Walter ist, doch er mußte Walter schwören, es nicht zu verraten.
Ich habe Pete in seinem Obus besucht. Es riecht darin nach altem Flanell.
Es war Abend, noch nicht ganz dunkel, doch er hatte seine Petroleumlampe an. Sie seufzt und pfeift vor sich hin. Er sagte: »Geräusche lassen bei mir manchmal ganz plötzlich etwas anklingen. Dann bilde ich mir ein, ich sei in Tennessee und die Lampe ein Rasensprenger.«
Die Wunde in seinem Gesicht ist verheilt. Auf einer Seite hat er jetzt das Profil eines Affen. Er war ein großer, kräftiger Mann gewesen, doch nun scheint er geschrumpft
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