Die Verwandlung der Mary Ward - Roman
wären wir jetzt also fertig, Mr. Blakey?«
»Nein«, antwortete Gilbert. »Bis zum Frühjahr muß ich weiterhin einmal im Monat nachsehen.«
Er erzählte Walter, daß er einen neuen Wagen, einen MGB, gekauft habe. Er sagte nicht, daß dieser ihm Angst einflößte. Walter erwiderte: »Da beneide ich Sie, Mr. Blakey. Wenn eins in meinem Leben sicher ist, dann, daß ich niemals einen Sportwagen besitzen werde.« Gilbert entgegnete, daß nichts im Leben irgendeines Menschen sicher sei, und sie lachten, und Walter fiel zum erstenmal Gilberts Ähnlichkeit mit Anthony Eden auf, was ihm schmeichelte, seltsam schmeichelte, weil er es gesehen hatte.
Von da an erzählten sie sich merkwürdige Begebenheiten aus ihrem Leben. Da Walter die meiste Zeit, die er in Gilberts verstellbarem Stuhl verbrachte, nicht sprechen konnte und Gilbert nicht gern beim Bohren oder Schleifen redete, blieb es bei kleinen Einzelheiten. So erfuhr Gilbert, daß Walters Onkel auf einem Feld in einem Obus wohnte. Walter hörte, daß Gilberts Mutter zwölfmal im Jahr mit einem 5-m-Zollstock hinausging und die Entfernung zwischen ihrer Haustür und dem Minsmere-Felsen maß. Sie fanden diese Details seltsam und interessant. Walter war überrascht, daß er nicht der einzige in Suffolk war, der im Haus seiner Mutter ein einsames Leben führte. Und Gilbert dachte: Der Onkel im Bus ist unkonventionell. Walter scheint weniger gewöhnlich zu sein, als ich angenommen hatte.
Walter war sehr froh über die Veränderungen mit ihm. Es hatte ihm nicht gefallen, wie Arthur Loomis’ Leichnam zu riechen. Wenn er jetzt den Mund aufmachte und seinen rosa Gaumen und seine weißen, strahlenden Zähne sah, hatte er das Gefühl, gerettet worden zu sein, vielleicht sogar vor dem Sterben. Und der Mann, der ihn gerettet hatte, war Gilbert Blakey. Er hatte ihn aber nicht nur vor dem Verfall, sondern auch vor seinen Alpträumen gerettet, denn Arthur ließ ihnjetzt in Frieden. Wenn er doch einmal auftauchte, dann stank er nicht mehr, war nicht nackt und schwenkte seinen Schwanz nicht hin und her; er war angezogen und trug seine Fleischerschürze.
Walter empfand Dankbarkeit und Erleichterung sowie eine Bewunderung für Gilbert, die an Anbetung grenzte. Eden war in der Gegenwart aufgetaucht und lächelte ihn an. Dafür war Arthurs Geist in das Stadium der Ruhe vor Suez zurückgekehrt. Jetzt war Raum für einen neuen Abschnitt in Walters Leben.
Doch welchen neuen Abschnitt? An seinem täglichen Einerlei hatte sich nichts geändert. Lediglich der Frühling entfaltete sich überall, und Licht fiel ein und leuchtete weiß auf der Ladentheke aus Marmor und dem Boden des Kühlhauses. Grace feierte ihren dreiundfünfzigsten Geburtstag. Ihre Schwestern kamen übers Wochenende und unterhielten sich flüsternd, wie schon nach Ernies Tod. Mit ihren leisen Stimmen gratulierten sie Walter, weil er es im Laden so gut machte.
Er schenkte ihnen Sherry ein und nickte, dankte ihnen aber nicht.
Sie schickten ihn fort, um Eccles cakes zu kaufen, die mit der Füllung aus Trockenfrüchten, und beim Bäcker traf er Sandra mit der Garnele. Diese lag aber nicht im Kinderwagen und schlief, sondern kniete darin, rosa und quieksend, und Walter dachte: Die Garnele wird bald laufen und ihr eigenes kleines Menschenleben beginnen, und bei mir wird sich immer noch nichts geändert haben. Sandra wird wieder ein Baby von dem Tierarzt bekommen, eine zweite schreckliche Garnele mit lachsfarbenem Häubchen, und ich werde nichts bekommen haben, es wird nur wieder Zeit verstrichen sein.
Er kehrte mit den Eccles cakes nach Hause zurück, legte sie auf eine Platte und brachte sie den Schwestern im vorderen Zimmer. Ihre Stimmen ließen ihn an Wind denken, der den Fluß entlangwehte und den Weiden die Röcke hob. Er sah Sandra in dem lackierten Boot vor sich. Er ruderte. Siezog den Rock über die Knie. Walter nahm sich ein Eccles cake und aß es schnell und gierig auf. Er dachte: Alles Gute liegt in der Vergangenheit. Selbst das, was nur zum Teil gut war – auch das liegt in der Vergangenheit. Wie zum Beispiel jener Tag mit den nicht getrunkenen Tizer-Fläschchen. Und alle meine Lieder. Und mein halbes Jodeln. Alles.
Ein heißer Sonntag kam.
Walter sagte zu seiner Mutter: »Mr. Blakey hat mich zu einer Spritztour in seinem Wagen eingeladen.«
»Zu einer Spritztour?« fragte Grace. »Warum solltest du denn das tun wollen, mein Lieber?«
»Es ist ein Sportwagen«, erwiderte Walter. »Mit zurückklappbarem
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