Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
Vom Netzwerk:
ich soll es ihnen besorgen.
    Dann ist das, was da in Eberbach auftauchte, also eine Fälschung? Oder doch das Original? Es war zumindest nicht so, dass diese Schrift auf Bartholomäus zurückging. Obwohl sie genau das bei ihren Initiationsfeiern seit Jahrhunderten behaupteten!
    Es war nicht die Menschenhaut des Märtyrers, die sie in ihren Kreisen anbeteten! Die sie verehrten, um jedem Neueintretenden zu zeigen, dass sie allein im Besitz der Botschaft waren. Es war die Haut einer Frau!
    Und sie hatten damit gelogen, um sich als Elite-Orden aufzuwerten, der aus dem Zwölferkreis des Jesus von Nazareth kam! Diese angebliche Reliquie des Apostels, nur ein Stück Haut von einer Begine, mit dem Text der Porete darauf, von ihnen nachträglich bearbeitet. Mit Jahr und Zahl. Ganz in ihrem Sinne. Alles sollte zu seiner gottgewollten Erfüllung kommen, deren Richtung aber allein sie vorgaben, um das Fürchten zu lehren.
    Diese Scharlatane!
    Und er war sicher, sie glaubten daran! Dass sie allein im Besitz der gottgewollten Mahnung waren! Selbst eine offenkundige Fälschung hielt sie nicht von diesem Denken ab.
    Und wo sollte er das Original suchen? Das auf Porete zurückgehende Original? Dieses Stück verdammter Liebesmystik, mit dem die Weiber sich Jesus hingaben?
    Sie machten Andeutungen. Sie hatten Vermutungen. Aber sie ließen ihn allein damit. Es war das alte Pfadfinderspiel.
    Und wenn er es nicht schaffte, das Stück zu besorgen, dann würden sie ihm falsches Spiel unterstellen. Und ihn aus dem Verkehr ziehen.
    Nun gut, dachte er. Dann werde ich mich auf die Suche machen. Ein letztes Mal.
    Wenn beim Mann der Sturm der Leidenschaft hervorbricht, dann wirbelt er ihn wie ein Mühlenrad herum   …
    Ein letztes Mal, dachte er. Und sie werden staunen. Wenn ich dieses Original finde, falls es das tatsächlich gibt, dann behalte ich es. Es wird mein Schirm. Es hilft mir mehr als ihnen. Ich will keine Macht ausüben. Ich will nur Sicherheit.
    Meine Stimme wird dann lauter sein.
    Meine Stimme, die der Strom trägt   …
    Die Natur des Weibes ist kälter und blutiger als die des Mannes, deshalb brennt das Weib nicht so heftig in der Lust wie der Mann, weil das Weib nur ein Gefäß ist, um zu empfangen   …
    Er startete den Wagen in höchster Erregung.
    Die Lenden des Mannes hingegen sind mit einer Schmiede zu vergleichen, in die das Mark sein Feuer schickt   …
    Er wendete und fuhr den gleichen Weg durch den Wald zurück.
    Aber das Blut nimmt bei jedem Menschen, ob Mann oder Frau, zu und ab und wälzt ihn um.
    Und wälzt mich um und um, dachte er. Mich!

    Einen Vorteil hatte das Ganze. Velsmann konnte sich endlich mit Namen beschäftigen und er begann, Personen hinter den Ereignissen zu sehen.
    Nachdem er am Morgen seiner ordentlich bezahlten Beratertätigkeit bei der Kripo in Wiesbaden nachgekommen war und voller Ungeduld zweieinhalb Stunden mit Akten zugebracht hatte   – es ging um seine Einschätzung eines Todesfalls im Rotlichtmilieu, bei dem ein deutscher Zuhälter von einer slowakischen Prostituierten in einer offensichtlichen Notwehrsituation mit einem Mörser aus Granit erschlagen worden war   – hatte er sich noch einmal in die Bibliothek gesetzt.
    Er ließ sich von einer jungen Bibliothekarin einen Stapel Bücher kommen. Die vielleicht Zweiundzwanzigjährige, die er noch nicht kannte, sah müde aus, sie war an jeder freien Stelle ihres Gesichtes gepierct und erinnerte Velsmann an eine Begegnung mit einer Bibliothekarin im »Museum am Strom« in Bingen vor mehr als zwei Jahrzehnten. Die Selektion des Gedächtnisses ist eine merkwürdige Sache, musste er denken, die Emotionen gehen dabei andere Wege als der Verstand.
    Aber auch andere Details dieses Tages im Jahr 1983 fielen ihm nach und nach wieder ein, ausgelöst durch dieses unschuldige Bild. Ein Dr.   Faust in Bingen, der angeblich nichts gewusst hatte. Besonders würdevolle Herren des Bundesarchivs in Ehrenbreitstein. Vor allem der Weißhaarige mit dem jugendlichen Gesicht, den feinen Manieren und dem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. War er nicht Personalrat gewesen? Ein Karl Sievers in Winkel, der irgendwie unpassende Mann in einem disparaten Feld von Ereignissen   – Velsmann wusste noch immer nicht, wie er ums Leben gekommen war. Rätselhafte Gestalten, die im Abgrund seiner Lebensgeschichte verschwunden waren, aber einen Abdruck in seinem Gedächtnis hinterlassen hatten.
    Martin Velsmann ließ sich mehrere Bände einer Geschichte der

Weitere Kostenlose Bücher