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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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eine der wichtigsten Tugenden. Hier wurden die Straßenbeläge ständig erneuert, dafür sorgten die finanzkräftigen Bewohner der Region mit ihren Steuern. Nach einer Weile konnte er weiterfahren. Fünf Minuten später bog er auf den Parkplatz am Kloster ein.
    Armand-Jean Le Bouthillier de Rancé, gestorben am 27.   Oktober 1700 in La Trappe. Wo sind deine Söhne, dachte Velsmann. Vielleicht kenne ich sie. Aber in welcher Gestalt haben sie sich mir genähert! Er hoffte, dass Karen Breitenbach ihm darauf bald eine Antwort geben konnte.
    Er stieg aus und ging zum Abteigebäude hinunter.
    Es traten traurige Gestalten in meine Bahn, die von jeher zu mir gesellt waren   …
    Warum hatte Clemens von Brentano im Kloster Eberbach ein Pergament in einem Grab versenkt, das alle Anzeichen des Racheengels, des Erzengels de Rancé trug? Wenn Velsmann gläubig gewesen wäre, hätte er jetzt einen Fingerzeig erfleht.
    Martin Velsmann zahlte an der Kasse seinen Obolus und betrat den Kreuzgang des Klosters.

    »Sind Sie auch zu der Party bestellt, junger Mann?«
    Der Ankömmling war groß, kräftig, bekleidet mit teurem Tuch und glänzenden Schuhen, seine Sonnenbrille war undurchdringlich. Tatsächlich stand die Sonne an einem wolkenlosen Himmel jetzt so tief über dem Rhein, dass Tibor blinzeln musste.
    »Wenn es denn eine Party wird?«, erwiderte Tibor vorsichtig.
    »Das wird sich zeigen. Gehen wir hinein.«
    »Sind Sie   – auch angerufen worden?«
    Der andere schien bei allen Bewegungen seinen Blick hinter den dunklen Gläsern nur auf Tibor gerichtet zu haben. »Ich bin jemand, der selbst anruft, wenn es etwas zu besprechen gibt, mein lieber, junger Mann.«
    »Ich habe schon geklingelt, es öffnet niemand.«
    »Das macht nichts. Ich kenne den Weg.«
    Der Fremde griff nach Tibors Arm und schob ihn vorwärts, machte dazu eine einladende Geste. Er bewegte sich so selbstverständlich, dass Tibor annahm, er wohne vielleicht selbst in dem Haus.
    Sie stiegen die wenigen Stufen zur Haustür empor. Erst jetzt bemerkte Tibor, dass auch diese nur angelehnt war. Der Mann forderte ihn auf, sie aufzudrücken. Tibor tat das. Ein fremder Geruch empfing ihn.
    Sie standen in einem abgedunkelten Hausflur. Mehrere Türen gingen nach rechts und links ab.
    »Wohin?«, wollte Tibor wissen.
    Der andere nahm seine Sonnenbrille ab. Tibor nahm müde, große Augen wahr. Eine undefinierbare Augenfarbe. Er hätte sich nicht gewundert, wenn der andere ihm jetzt seinen Polizeiausweis gezeigt hätte.
    »Da lang! Den Stimmen nach.«
    Tatsächlich hörte Tibor jetzt wieder eine Frauenstimme. Dann eine dunklere. Dazwischen lag eine unnatürliche Pause. Im hinteren Teil des Flurs strich etwas entlang. Tibor machte eine rot getigerte Katze mit erhobenem Schwanz aus. Der andere forderte ihn auf, weiterzugehen. Tibor kam sich vor wie ein Inhaftierter.
    Er versuchte, sich auf etwas zu konzentrieren. Auf die Fakten, die er herausgefiltert hatte. Auf Zusammenhänge. Auf Erkenntnisse, die ihn vor der Angst schützen konnten, die jetzt unerbittlich in ihm heraufkroch. Alles war erklärbar. Es gab nichts, was nicht logisch war. Sein Rechner hatte es ihm bewiesen.
    Die Rechner gaben den Ton an, nicht die Gespenster!
    Der Fremde griff jetzt an ihm vorbei und öffnete die Tür, hinter der die Stimmen zu hören waren.
    Ein tiefer Raum. Ganz im Hintergrund ein Wintergarten, in dem wie in einem Zauberwald Pflanzen durch die Glasfront zu wuchern schienen. Das nahm Tibor ebenso wahr wie die Frauengestalt zur Rechten. Sie saß in seltsamer Haltung auf einem Stuhl. Sie blutete. Der Stuhl wurde jetzt, bei ihrem Eintritt, umgetreten. Gleichzeitig stieß der Fremde Tibor in den Raum hinein. Tibor stolperte. Er spürte die Anwesenheit einer weiteren Person.
    Als er sich umdrehte, sah er etwas, das sein Verstand nicht gleich verarbeiten konnte.
    Eine schattenhafte Gestalt sprang auf ihn zu. Nein, nicht auf ihn. Sie bewegte sich nur in seine Richtung.
    Ein Wesen.
    Die Gestalt am Rand seines Blickfeldes hob die Arme und fiel über den mit Tibor eingetretenen Fremden her. Tibor machte instinktiv zwei Schritte zur Seite. Seine Gedanken rasten, er versuchte, bei klarem Verstand zu bleiben, seine Angst ließ alles zu Staub zerfallen.
    Ich hätte meinen Vater informieren müssen!
    Der Fremde, der mit ihm gekommen war, schien ebenso überrascht zu sein. Er machte einen Schritt nach vorn und nestelte an seiner Jackentasche. Dann traf ihn die Wucht des Aufpralls. Der Angreifer traf auf ihn.

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