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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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–«
    »Wir sind gutgläubige Leute, Herr Verwalter«, warf der Großvater ein. »Und außerdem hat der Junge erwähnt, dass es in der ehemaligen Bibliothek spukt. Nicht wahr, Martin?«
    Der Junge nickte tapfer.
    »Ich habe es gehört. Nun, dort lagerten immerhin die sieben Pergamente, um die es so viel Gewalt gab. Und das siebte und letzte holte Oxenstierna heraus, als er das Kloster im Januar 1633 heimsuchte. Wobei bisher nicht sicher war, ob er es wirklich vernichtet hat, wie immer behauptet wurde   – und ich glaube jetzt, wir haben den Beweis, dass er es nicht tat.«
    »Sie meinen das gefundene Pergament.«
    »Ja. Fast alles verschwand jedenfalls in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, die harmlosen und die wichtigen Bücher. Sollten die Experten bestätigen, dass wir jetzt die Handschrift aus unserer alten Bibliothek gefunden haben, dann gibt es wirklich einiges aufzuklären.«
    »Und was steht in diesem Superpapier?«, fragte der Großvater scheinheilig.
    »Herr Rosenthal hat es doch vorhin gesagt, einmal reicht doch!«, brummte Velsmann.
    »Ich höre so was eben immer wieder gern«, grinste der Großvater.
    »Nicht mehr und nicht weniger als das Datum für das Ende der Welt«, gab Rosenthal erneut Auskunft.
    »Na, dann untersuchen Sie den Fund mal ganz schnell, damit wir Bescheid wissen«, meinte Großvater.
    Rosenthal entging der Spott nicht. Er versuchte zu lächeln. »Davor müssen wir uns vielleicht nicht fürchten«, sagte er. »Es gab ja immer Verkündigungen über das Ende der Welt. Und erstaunlicherweise sind wir immer noch da.«
    »Und wie«, sagte Großvater.
    »Da wir uns hier im Rheingau befinden, will ich Ihnen aber was erzählen. Sagt Ihnen der Name des italienischen Zisterzienserabtes Joachim von Fiore was? Nein? Der prophezeite schon im 13.   Jahrhundert das Weltende, er nannte die genaue Stunde und jeder glaubte ihm. Die Geschichte der Familie von Brentano, die vom Westufer des Comer Sees kommt und seit drei Jahrhunderten hier im Rheingau wohnt, ist mit Fiore und seiner Verkündigung eng verknüpft. Ahnenforscher verfolgten ihre Linie bis in die Tage dieser Prophezeiung zurück. Clemens von Brentano, unser Lieblingsdichter, hat all diese Dinge in seinem Werk verarbeitet, die Gestalt des Fiore, seine Verheißungen zogen ihn magisch an. Vor allem in den wunderbaren Romanzen vom Rosenkranz .   – Kennst du Clemens von Brentano, mein Junge?«
    »Der Dichter mit der Sieben«, gab Martin zum Besten.
    »Wie? Ach so, ja, da haben Sie aber einen ganz gewitzten Filius, lieber Velsmann!«
    »Ich konnte Omen noch nie etwas abgewinnen, das lässt meine Berufsauffassung nicht zu«, erklärte Velsmann.
    »Sind Sie eigentlich gläubig, lieber Velsmann? Das habe ich Sie auf unseren vielen schönen Wanderungen noch nie gefragt.«
    »Ich glaube, wie wohl die meisten Leute glauben   – es muss eine Schöpfung geben, denn wir sind der lebende Beweis dafür. Wir können die Fragen nicht beantworten, wer wir sind, woher wir kommen, und warum wir überhaupt sind. Also   …«
    »Ja ja, irgendwas gibt es da draußen«, raunte Großvater.
    Rosenthal nickte. »Zuerst müssen wir klären, ob unsere Schriftrolle wirklich die siebente Schrift der Zisterzienser ist. Und wenn das geklärt werden kann, dann müssen wir uns mit dem Inhalt beschäftigen. Dann können wir sagen, wie wir reagieren müssen.«
    »Sie sagten doch, Sie hätten sich inzwischen kundig gemacht?«, meinte Velsmann.
    »Ich habe nachgeschlagen. Es gibt Leute, die behaupten, sie hätten dieses Pergament gelesen und dechiffriert, Wissenschaftler, man kann es in diversen Veröffentlichungen nachlesen. Und sie teilen uns erstaunliche Dinge mit, keinen Firlefanz. Sie sagen beispielsweise, es stünde in dieser Verkündigung, wer sterben muss, damit das Unheil abgewendet wird, das über der Welt liegt.«
    »Wer muss sterben?«, rief Martin dazwischen.
    »Zum Beispiel musste Herbert von Cherbury sterben, mein Junge, damit der Dreißigjährige Krieg beendet werden konnte. Herbert war der Vater der gefährlichen englischen Deisten. Er musste im Jahr 1648 sterben, damit der Krieg in genau diesem Jahr zu Ende gehen konnte. Er stand auf der Liste, er war das Opfer.«
    »1618 bis 1648, das haben wir in der Schule gelernt«, sagte Martin schnell.
    »Na, siehst du! Herbert starb, er wurde umgebracht. Natürlich unter ungeklärten Umständen. Der Täter wurde nie geschnappt. Cherbury war einfach einer auf einer langen Liste, die irgendwer abgearbeitet hat.

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