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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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der Polizei, die dem Archiv assoziiert waren, auf präzisen Informationen bestanden, damit sie sich auf ihren Teil der Aufgabe konzentrieren konnten. Die Angestellten konnten grob werden.
    »Es ist dringend«, betonte der Kurier, dessen Finger mit dem gläsernen Aschenbecher auf der Konsole spielten, »man wartet auf schnelle Antwort.«
    »Alles ist dringend«, bestätigte der Sachbearbeiter, »seit Jahrhunderten.«
    Mit dieser Antwort konnte der Kurier nichts anfangen, er fühlte sich unbehaglich, der andere schien ihm auf eine unerträgliche Art selbstsicher und ironisch, obwohl er ihn für jünger hielt.
    »Solange sind Sie wohl noch nicht dabei?«, sagte er schließlich.
    »Wir leiten alles in die We-ge , nur keine Sor-ge , wir haben das immer getan, so lange ich denken kann, wir sind darauf spe-zia-li-siert !«
    »Das will ich hoffen, sonst reißt man mir den Arsch auf«, sagte der Bote.
    Der Angestellte blickte interessiert auf. »Und, wäre das so schlimm?«
    Der Bote sah in die brennenden Augen des Schönen, der nicht am Schreibtisch zu sitzen schien, um Formulare zu bearbeiten.
    »Das wäre   – schmerzhaft«, sagte er verlegen.
    »Amüsant«, lächelte der Engel und beugte sich wieder über seine Formulare.
    »Außerdem wurde mir eingeschärft, dass es sich um wertvolle Sachen handelt. Vor allem der Fetzen Papier.«
    »Alles ist wertvoll, es kommt nur auf die Betrachtung an«, sagte der Engel sanft.
    »In diesem Fall   …«
    »In diesem Fall kannst du sogar recht haben«, sagte der Engel. »Deshalb werden wir es uns auch ganz genau an-schau-en .«
    Er stand auf und trat an die Konsole. Der Kurier blickte in seine enthusiastischen Augen.
    »Gelesen, eingeordnet und abgezeichnet, mit einem hübschen Stempel drauf. Jetzt sind die Kollegen dran. Und pass gut auf dich auf, mein Kleiner.«
    Der Bote nahm die Papiere in Empfang und war entlassen. Er ging durch die Bürotür hinaus mit einem tiefen Lachen im Rücken.
    Der Sachbearbeiter saß einen Moment lang da, als wäre jedes Leben aus ihm gewichen.
    Sie glauben mir alle, dachte er. Ich habe die Macht, durch Täuschung zu betrügen. Mit mir arbeiten sie gegen die Welt.
    Sie sind verzaubert von mir, dachte er. Alle. Aber ich werde meinen Zorn aussenden müssen, dass er Feuer wird in der schwarzen Masse der Stürme. Wir sind schon mittendrin im Verhängnis und sie sehen es nicht. Zum Glück für uns, sehen sie es nicht. Aber wir müssen geduldig sein. Wir müssen warten, bis alles sich von selbst erfüllt.
    Meine Stimme wird dann lauter sein.
    Dann seufzte er. Er hatte auf der Artikelbeschreibung der Lieferung etwas wahrgenommen, das ihn beunruhigte. Etwas wie ein schweres Gewicht. Darauf war er trainiert. Das verlangte man sogar von ihm. Im Bundesarchiv lagen Tausende von schweren Gewichten. Aber dies hier schien ein besonderes zu sein.
    Ablagerungen. Auf dem Grund ganz leichter, harmloser Vorfälle. Ein Bodensatz wie in gewissen Märchen, wenn sie auf eine Wahrheit deuten, die niemand hören will. Die man nur erträgt, wenn sie heiter, wie im Märchen daherkommt. Und in die Ablagerungen sind die schockierenden Wahrheiten abgesunken.
    Ärger stieg in ihm auf.
    Natürlich, hier befindet man sich im Land der Sagen und Märchen, es gibt keinen Kollegen, der nicht täglich welche zum Besten gibt. Brentano, Märchen, Loreley, sieben Wahrheiten, der Mord und die böse, verzauberte Fee, uralte Schlösser, in denen es spukt, und die Prinzessin wird durch den Kuss eines dornenheckensprengenden Helden gerettet. Das Allerlei, das man den Kindern erzählt. Man muss aufpassen, das wissen alle diese Einfältigen nicht, dass die Dinge, wenn man ernsthaft von ihnen spricht, nicht plötzlich wieder da sind. Und wer davon redet, der spürt es bald, dass etwas auf seiner Spur ist. Und nicht nur das. Bald steht es neben dir und schaut dich an und weicht nicht mehr.
    Dachte er.
    Aber so viel Phantasie haben sie dann doch nicht, die werten Kollegen des Bundesarchivs, und schon gar nicht die der Polizei, sich das wirklich vorzustellen. Sie können sich die Gespenster der Vergangenheit nicht wirklich vorstellen. Und das ist verwunderlich, denn mancher kommt ihnen sehr nahe.
    Nun denn, dachte er, auch dieser Vorgang passt zwischen zwei Aktendeckel und muss bearbeitet werden. Nach einer Weile schloss er den Fall ab, stempelte und unterschrieb den Lieferschein, heftete ihn auf den Aktendeckel und legte diesen kantengleich an den rechten Winkel der Ecke des Schreibtisches. Von dort aus

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