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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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würde er einen langen Weg antreten.
    Der Sachbearbeiter richtete sich auf und starrte auf die Akte. Dann auf die Fundstücke in den Behältern. Dann aus dem Fenster. Draußen, in der Tiefe, lag das blendende Wasser zweier zusammenfließender Ströme.
    Es fließt zusammen, dachte er. Aber es passt nicht zusammen. Manchmal muss man es trennen. Dabei muss man unversöhnlich sein. Vor allem dann, wenn man im Besitz der Wahrheit ist.
    Exzellent!

    Rosenthal saß erschlagen auf seinem Stuhl. Wenn er die halbe Stunde abzog, die er mit den Velsmanns verbracht hatte, befand er sich nun seit sechs Stunden in seinem Büro und vier Stunden davon fühlte er sich bloßgestellt. Drei Augenpaare starrten ihn an und gaben ihm die Schuld. Das corpus delicti mit dem Lebenszeichen von Armand-Jean Le Bouthillier de Rancé war mit einem Kurier in die Polizeilabore der Festung Ehrenbreitstein zur Untersuchung geschickt worden, aber dort war es nicht angekommen. Genauer gesagt hatte der Kurier, ein junger wissenschaftlicher Angestellter der Denkmalschutzbehörde, die auseinandergefalteten, nummerierten, in Behältnisse verpackten Fundstücke, Schriftrolle, Kleidungsteile, Schatulle mit goldenen Bändern übergeben und sich diesen Vorgang auch mit einer abgestempelten Quittung bestätigen lassen. Irgendwo in den Labyrinthen der Feste war das Beweisstück dann verloren gegangen. Jedenfalls das, was Rosenthal für ein solches hielt.
    Er war schuld. Er hätte Bataillone von Begleitschutz aufbieten müssen. Rosenthal ahnte, welchen Ärger dieser Vorfall noch mit sich bringen würde. Man stelle sich vor! Ein kostbarer alter Text und ein paar interessante Beigaben aus den Wirren des Dreißigjährigen Krieges oder gar aus einem noch früheren Jahrhundert, vielleicht sogar aus biblischen Zeiten   – man findet sie und verschleudert sie gleich wieder, als wäre es eine ausgelesene Zeitung von gestern. Und die Polizei, samt Staatsschutz, darf nicht mal einen Blick auf das werfen, was vielleicht von Belang für die Sicherheit des Landes sein könnte!
    Rosenthal wusste nicht, was in Ehrenbreitstein los war. Das Bundesarchiv besaß einen untadeligen Ruf. Bürokratische Intrigen oder Konkurrenzneid waren nicht zu befürchten. Wenn die polizeiliche Untersuchung korrekt abgeschlossen worden wäre, hätte man die Fundsachen dort für alle Zeiten eingelagert. Zusammen mit tausenden anderen für die Geschichte des Landes bedeutenden Stücken und Dokumenten. Der große, unterirdische Stollen barg alle Geheimnisse der Deutschen seit den Germanen. Und sollten eines Tages die Tresore geöffnet werden, erfuhr die Öffentlichkeit sogar, wer als wahrer Mörder der Nitribitt infrage kam. Und mehr wollten die von den Nachwirkungen des Krieges gebeutelten Deutschen doch sowieso nicht wissen.
    Dachte Rosenthal.
    »Wir können nur hoffen, dass Ehrenbreitstein sich entschuldigt und alles zu einem Missverständnis erklärt.«
    Rosenthal blickte auf den Sprecher, obwohl er natürlich wusste, dass es a.D. Dinslaken war. Er wusste auch genau, was jetzt kam. Und genauso war es.
    »In meiner Zeit als Klosterverwalter wäre so etwas unmöglich gewesen, lieber Rosenthal.«
    Rosenthal dachte an seine Frau Maria. Ein böses Omen würde bewirken, dass er sie auch in den nächsten Stunden nicht sehen könnte. Nicht sie, nicht seine beiden Töchter, am ehesten konnte er noch auf den Hund verzichten. Er würde in einem Strudel von peinlichen Untersuchungen ertrinken. Die Vorstellung schnürte ihm schon jetzt die Luft ab.
    »Warten wir doch ab, was die Behörde in Koblenz zu sagen hat, wenn sie sich denn entschließt zu reden«, schlug Rosenthal so gefasst vor wie es der Würgegriff erlaubte. »Die Fundstücke können ja nicht plötzlich verschwunden sein, das ist unmöglich.«
    »Hätte ich nur besser aufgepasst«, jammerte der junge Kurier, der die Grabbeigaben nach Koblenz gebracht hatte. »Ich habe doch gar nicht begriffen, um welchen Schatz es ging. Ich hätte doch viel besser darauf aufgepasst.«
    »Machen Sie sich keine Vorwürfe«, sagte Rosenthal matt. »Sie haben keinen Fehler gemacht. Vielleicht hat der Pförtner einfach nur die falsche Ablage benutzt.«
    »Und dort liegt es jetzt seit Stunden und niemand kapiert es?«, zweifelte Dinslaken.
    »Ich habe es jedenfalls ordnungsgemäß abgegeben«, verteidigte sich der Kurier. »Der Sachbearbeiter machte keinen   – irgendwie unseriösen Eindruck. Obwohl   …«
    »Wie?«
    »Nein, nichts, gar nichts. Die Leute dort sind doch

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