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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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Rande zu tun   – deshalb haben wir keine besonderen Gedanken daran mehr verschwendet. Vielleicht stimmt das aber auch überhaupt nicht. Wir verstehen es nur nicht, wir können es nicht einordnen. Es hat jedenfalls hauptsächlich mit Dingen zu tun, die die staatlichen Behörden interessieren, und in die wir uns lieber nicht einmischen wollten.«
    »Das Pergament ist wieder aufgetaucht, nicht wahr?«
    Rosenthal nickte. »Jetzt geht es wieder los. Eine Neuauflage unter veränderten Bedingungen.«
    »Dieses Pergament ist wirklich beharrlich.«
    »Es hat eine eigenartige Dynamik, das muss man sagen.«
    »Darf ich Sie bitten, mir davon zu erzählen? Oder beanspruche ich Ihre Zeit ungebührlich? Die Kassiererin sagte mir, Sie erwarten eine Delegation aus   …«
    »Das hat noch Zeit, die Herrschaften aus der Champagne kommen erst zum Mittagessen. Ich zögere aus einem anderen Grund. Man sollte gewisse Dinge einfach vergessen. Oder es zumindest versuchen. Das richtet sonst in unserem Inneren gewisse Schäden an. Man wird es nicht mehr los, verstehen Sie?«
    »Ich bin Polizist. Ich bin daran gewöhnt.«
    »Wie Ihr Vater! Wollten Sie damals nicht Tänzer werden?«
    Velsmann lachte. »Wie der lachende Abt! Er hat mich fasziniert! Aber ich bin es nicht geworden.«
    »Wie Gerlach von Nassau übrigens auch nicht«, schmunzelte Rosenthal, »er war Abt.«
    »Ich weiß. Ich stellte mir damals nur vor, er würde tanzen. Er sah so heiter und jugendlich aus. Ich kannte damals nur deutsche Schlager. In den Siebzigerjahren kam die Rockmusik dazu. Heute bin ich eher Jazzfan. Jedenfalls sah ich in meiner kindlichen Phantasie den Abt tanzen.«
    Rosenthal beugte sich vor. »Herr Velsmann. Sind Sie als Polizist hier?«
    Velsmann schüttelte den Kopf. »Ich habe nur ein freies Wochenende, das meine Frau mir geschenkt hat.«
    »Ich verstehe. Ich habe eine Frau und zwei erwachsene Töchter. Die Arbeit im Kloster frisst mich auf. Ich weiß, wie kostbar freie Zeit ist.«
    »Sind Sie mit dem Werk von Clemens Brentano vertraut, Herr Rosenthal?«
    »Wie jeder Rheingauer«, nickte Rosenthal.
    »Mit der Chronika des fahrenden Schülers ?«
    »Sie wissen also Bescheid?«
    »Leider nein. Im Brentanohaus verweigerte man mir eine Auskunft.«
    »Ein Textauszug aus der Chronika liegt über der alten Handschrift auf dem Pergament. Eine Art Bannstrahl. Grafologen haben eindeutig geklärt, dass der Text von Clemens ist. Er hat wohl versucht, den Sinn der alten Mahnung zu kommentieren, zu entschärfen, wir wissen es nicht. Er war in der damaligen Zeit wohl dafür empfänglich.«
    »In der damaligen Zeit?«
    »1806 lebte Brentano vorübergehend im Kloster. Nicht ständig, aber oft. Seine Familie residiert ja in Winkel. Es war Brentanos schwerste Zeit. Er war als Sammler alter deutscher Texte im Besitz der Handschrift, warum auch immer   …«
    »Was ist damals in seinem Leben passiert?«
    »Das Ganze hat mit einer Lebensphase zu tun, in der er durch den Verlust seiner Frau Sophie Mereau, die mit ihrem Baby im Kindbett starb, tief verzweifelt war und durch eine reale Hölle ging. Wer das erlebt, dem ist alles zuzutrauen. Er fühlte sich jedenfalls tief schuldig an den tragischen Ereignissen. Das mag erklären, warum er diese Dinge tat.«
    »Diese Dinge?«
    »Die Sache mit dem Grab. Es ist ja nicht ganz rational zu verstehen. Die Schrift, die Kinderkleidung, die Schatulle mit ihrem besonderen Inhalt   …«
    »Was war in der Schatulle?«
    »Ein goldfarbenes Band. Wahrscheinlich von Sophie. Was es damit genau auf sich hat, wissen wir nicht. Die anderen Dinge sind inzwischen enträtselt.«
    »Ja, und was ist mit dieser Handschrift? Hieß es nicht, sie enthalte eine uralte Prophezeiung?«
    »Das ist richtig. Es handelt sich um das letzte der sieben Manuskripte, die im Dreißigjährigen Krieg aus dem Kloster Eberbach verschwanden. Angeblich vernichtet durch den damaligen schwedischen Kanzler Axel Oxenstierna. Aber diese Schrift hat überlebt. Und im Kloster ist sie wieder aufgetaucht. Durch Brentano.«
    »Aufgetaucht und vorher abgetaucht.«
    »Wie bitte?«
    »Er hat alles vergraben.«
    »Natürlich. Aber wenn er es dort vergrub, musste er damit rechnen, dass es jemandem auffällt, der es ans Tageslicht holt.«
    »Warum also vergrub er dann diese Sachen?«
    Rosenthal zuckte mit den Schultern. »Brentano hatte erwiesenermaßen ein besonderes Verhältnis zu Weissagungen. Ich bin zwar kein Fachmann, aber aus seiner Biografie lässt sich das mühelos ableiten, das

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