Die verzauberten Frauen
nickte, erhob sich wie er und begleitete ihn nach draußen. Wieder kamen Katzen von allen Seiten und strichen um ihre Beine.
»Lassen Sie Ihre Erinnerungen nicht verblassen, Herr Velsmann. Entweder Sie streichen sie völlig, was Sie aber nicht können, so wie Sie gebaut sind. Oder Sie packen die Erinnerungen aus und schauen genauestens drauf. Denn Sie müssen sie ja schleppen, also sollten Sie auch wissen, womit Sie es zu tun haben.«
»Ich werde es versuchen.«
»Und kommen Sie wieder!«
Ich wollte tanzen, seit ich Zwölf war. Ich wollte tanzen, seit ich Zwölf war. Ich wollte mit mir selbst tanzen … überall hin, fort von allem …
Velsmann hatte den Text von Cosmic Dancer übersetzt und auf einen Zettel geschrieben; er wollte ihn seinen Kindern zeigen. Auf dem Rückweg von Jane Porethe war ihm der Song erneut eingefallen. Vielleicht hatte die Zauberin eine vollautomatische Erinnerungstür in seinem Kopf eingebaut, die er nun öffnen und schließen konnte. Wie eine Katzenklappe.
Das Gespräch war ihm tatsächlich nachgegangen. Er hatte Mühe, sich auf das Auto zu konzentrieren. Ich fahre wie auf einem Gleis durch mein Leben, dachte er. Immer geradeaus. Und deshalb werde ich jetzt ein paar alte Kamellen aus meiner Schatztruhe holen und vor mir ausbreiten. Ich habe Angst gehabt. Ich habe alles abgebrochen. Ich habe kein Vertrauen zu mir selbst gehabt. Jetzt kratze ich noch mal alles zusammen, und dafür bin ich hier genau am richtigen Ort. Mal sehen, was übrig bleibt. Mal sehen, wie alles zusammenhängt.
Vielleicht ist das mein allerletzter Anlauf.
Andrea hatte ihn nur ganz beiläufig ausgefragt. Er hatte dennoch ihr brennendes Interesse gespürt. Für sie war es wichtig zu wissen, dass er ihr nichts vorenthielt.
»Jane Porethe scheint tatsächlich magische Kräfte zu haben«, sagte er. »Aber ob dir das gefällt, was sie in mir ausgelöst hat, weiß ich nicht.«
»Wieso, was denn?«, fragte sie misstrauisch.
»Sie hat mir die Überzeugung zurückgegeben, dass ich etwas tun muss. Ich muss meiner Lethargie entkommen.«
»Das ist doch gut«, sagte sie vorsichtig.
»Ich werde mich noch einmal mit diesen Dingen beschäftigen, die damals im Kloster Eberbach begannen und die in Fulda kulminierten«, sagte er.
»Oh nein!«
»Es geht mich etwas an. Ich kann das nicht wegdrücken, sonst macht es mich krank. Ich muss handeln.«
»Martin, bitte nicht. Du hast doch alles. Stürze uns nicht in eine neue Krise. Ich ertrage das nicht.«
Er ging auf seine Frau zu und umarmte sie. »Es wird alles gut, du wirst schon sehen.«
»Das hast du auch damals gesagt …«
»Für mich führt der Weg in die Gesundung über die Dinge, die geschehen sind, nicht drumherum. Das hat mich krank werden lassen, es wird mich gesund werden lassen. Die Zauberin hat ganz recht.«
Velsmann spürte den inneren Widerstand seiner Frau, er spürte ihn in ihrem ganzen Körper. Er wiegte sie in seinen Armen. »Vertraue mir, Andrea!«
»Nichts lieber als das. Wenn ich es nur könnte!«
»Versuche es. Ein letztes Mal.«
»Martin! Bitte tue nichts, was mich bereuen lässt, dass ich meine eigenen Interessen aufgegeben habe, um an deiner Seite zu sein. Es wäre furchtbar, wenn ich das Gefühl hätte, es sei alles umsonst gewesen, der ganze Aufwand, alles. Es wäre wie ein Verrat!«
»Deine Entscheidung von damals war richtig, du weißt es. Schon wegen der Kinder. Sie sind so zufrieden!«
»Setz mich nicht unter Druck, Martin! Sie waren auch ohne dich zufrieden.«
»Darüber wollen wir nicht streiten. Ich weiß, ich bin sentimental, aber ich will nur eins, nämlich dass wir zusammen sind.«
»Und ich habe dafür die Zeche gezahlt.«
»Du hast eine tolle Familie hingekriegt!«
Sie löste sich von ihm und betrachtete ihn ärgerlich. »Ich wollte nie nur Mutter und Hausfrau sein, das weißt du. Mein ganzes Fachwissen liegt brach, ich habe es umsonst erworben.«
»Wir haben es hundertmal besprochen! Jetzt sind wir soweit, jetzt kannst du dir wieder eine Tätigkeit suchen. Irgendwo hier. Hauptsache, wir sind zusammen.«
»Eine Meeresbiologin am Rhein? Wie soll das gehen?«
»Suche dir irgendwas, Andrea! Irgendwas! Mein Gott, ich helfe dir dabei, wo ich kann! Aber lass uns unsere Ehe als das Allerwichtigste ansehen!«
»Das tue ich sowieso!«
»Ich werde nichts ohne deine Zustimmung tun, Andrea! Wir entscheiden alles miteinander!«
»Ich hoffe, du weißt, was du tust«, seufzte sie.
Es wird mein letzter und mein schwerster
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