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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Clausen und Wallingford zusammen - ohne Sex, ja nicht einmal unbekleidet. Doris schlief einfach neben ihm ein - natürlich auf seiner linken Seite. Patrick schlief nicht gut, hauptsächlich deshalb, weil er nur auf dem Rücken bequem liegen konnte. Die Hand schmerzte, wenn er auf der Seite oder auf dem Bauch lag; warum, konnte ihm auch Dr. Zajac nicht sagen. Vielleicht hatte es etwas mit der verminderten Blutzufuhr zur Hand zu tun, aber Muskeln, Sehnen und Nerven wurden offenbar gut mit Blut versorgt.
    »Daß Sie aus dem Schneider sind, würde ich nie sagen«, verkündete Zajac Wallingford, »aber für mich sieht die Hand mehr und mehr nach einem Dauerbrenner aus.«
    Zajacs neuentdeckte Lockerheit war schwer nachzuvollziehen, von seiner Vorliebe für Irmas Jargon ganz zu schweigen. Mrs. Clausen und ihr Fötus hatten Dr. Zajacs drei Minuten im Rampenlicht überstrahlt, aber das deprimierte Zajac offenbar nur wenig. (Daß ein Krimineller Wallinglords einziger Konkurrent auf dem Gebiet der Handtransplantation war, machte Zajac eher sauer als deprimiert.) Und infolge von Irmas Kochkünsten hatte er sogar ein wenig zugenommen; gesundes Essen in anständigen Mengen setzt eben doch an. Der Handchirurg hatte sich seinen Gelüsten ergeben. Er war ausgehungert, weil er jeden Tag vögelte.
    Daß Irma und ihr ehemaliger Brötchengeber mittlerweile glücklich verheiratet waren, ging Wallingford nichts an, doch bei Schatzman, Gingeleskie, Mengerink, Zajac & Partner gab es kein anderes Thema. Und wenn der beste Chirurg unter ihnen immer weniger nach einem wilden Hund aussah, so hatte auch sein einst unterernährter Sohn Rudy ein paar Pfund zugelegt. Selbst den Neidern, die an der Peripherie von Zajacs Leben standen und sich feige über ihn lustig machten, kam der kleine Junge, dessen Vater ihn liebte, inzwischen größtenteils glücklich und normal vor.
    Nicht weniger überraschend kam, daß Dr. Mengerink Zajac gestand, er habe eine Affäre mit der rachsüchtigen Hildred, Dr. Zajacs mittlerweile übergewichtiger erster Frau, gehabt. Hildred schäumte wegen Irma vor Wut, obwohl Zajac ihren Unterhalt erhöht hatte - für Hildred war es schlicht eine Preisfrage: sie willigte in ein gemeinsames Sorgerecht für Rudy ein.
    Anstatt sich über Dr. Mengerinks verblüffendes Geständnis aufzuregen, war Dr. Zajac ein Inbild von Einfühlungsvermögen und Mitleid. »Mit Hildred? Sie Ärmster ...« Mehr hatte Zajac nicht gesagt, und er hatte Mengerink dabei den Arm um die gebeugten Schultern gelegt. »So ein bißchen Bumsen wirkt doch die reinsten Wunder«, bemerkte der noch lebende Gingeleskie-Bruder neidvoll.
    Hatte auch der Scheiße fressende Hund die Kurve gekriegt? In gewisser Weise ja. Medea war fast ein braver Hund; sie erlebte zwar noch »Rückfälle«, wie Irma das nannte, aber Hundekot und seine Auswirkungen dominierten Dr. Zajacs Leben nicht mehr. Hundehaufen-Lacrosse war bloß noch ein Spiel. Und während der Doktor, seines Herzens wegen, jeden Tag ein Glas Rotwein probiert hatte, war sein Herz bei Irma und Rudy durchaus in guten Händen. (Zajacs wachsende Vorliebe für roten Bordeaux überstieg um einiges das bescheidene Quantum, das man als heilsam für seine Pumpe erachtete.)
    Der ungeklärte Schmerz in Patrick Wallingfords neuer linker Hand machte Dr. Zajac auch weiterhin keine großen Sorgen. Doch eines Abends, als Patrick keusch neben Doris Clausen im Bett lag, fragte sie ihn: »Was genau meinst du eigentlich mit ›Schmerzen‹? Was für ein Schmerz ist das?«
    »Eine Art Zerren, nur daß meine Finger sich kaum bewegen und es mir in den Fingerspitzen weh tut, wo ich noch immer kein Gefühl habe. Es ist komisch.«
    »Es tut da weh, wo du kein Gefühl hast?« fragte Doris. »So kommt es mir vor«, meinte Patrick.
    »Ich weiß, was da nicht stimmt«, sagte Mrs. Clausen. Nur weil sie neben seiner linken Hand liegen wolle, hätte sie Otto nicht die falsche Bettseite aufzwingen dürfen. »Otto?« fragte Wallingford.
    Otto habe stets auf ihrer linken Seite geschlafen, erklärte Doris. Wie die Sache mit der falschen Bettseite sich auf Patricks Hand ausgewirkt hatte, würde er bald sehen.
    Während Mrs. Clausen rechts neben ihm schlief, passierte etwas, was vollkommen natürlich erschien. Er wandte sich ihr und sie wandte sich ihm zu - als wäre das, auch im Schlaf, eine eingefleischte Gewohnheit -, so daß ihr Kopf in seiner rechten Armbeuge ruhte und ihr Atem über seinen Hals strich. Er wagte nicht zu schlucken, um sie nur ja nicht

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