Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)
deutete darauf hin, dass sie ihren rechten Arm mehr bewegte als ihren linken, also wahrscheinlich Rechtshänderin war. Sie hatte ihre Zähne so gut gepflegt und behandeln lassen, dass diese keine Löcher hatten. Es gab kein Zeichen irgendeiner kieferorthopädischen Behandlung, und ihre Weisheitszähne waren noch nicht durchgebrochen. Außerdem hatte Blau sich einer kostspieligen Schönheitsoperation an der Nase unterzogen. Dies waren auf keinen Fall die Knochen einer heimatlosen Streunerin, wie der Sheriff ursprünglich angenommen hatte.
Wer immer Blau ermordet hatte, hatte ihre Fingerspitzen mitgenommen, so dass die Endphalangen oder Endglieder aller Finger fehlten. Trophäen oder praktische Erwägungen? Sie legte die Mittelglieder unter ihr Präpariermikroskop und untersuchte deren distale, also weiter von der Körpermitte entfernte Enden. Alle wiesen Beschädigungen auf. Auf dreien konnte sie ein Streifenmuster erkennen: zwei Linien, eine dicker als die andere, die vielleicht durch einen Materialfehler auf der Schneide des Schneidewerkzeugs verursacht worden waren. Sie machte mehrere Aufnahmen von diesen Schnittstellen.
Nachdem sie alle Informationen, die sie nun über Miss Blau besaß, in ihren Computer eingegeben hatte, nahm sich Diane die Seile vor, mit denen das Opfer gefesselt worden war. Sie holte sie aus der entsprechenden Beweismittelkiste und legte sie neben das Skelett auf den Tisch. Das Seil war relativ neu und aus Hanf. In ihren Händen fühlte es sich rauh und steif an. Die losen Fasern stachen in ihre empfindlichen Finger.
Dianes weiche Haut erinnerte sie daran, wie lange sie schon nicht mehr eine Höhle erforscht hatte. Als Höhlenforscherin benutzte sie allerdings keine Naturfaser-, sondern die stärkeren Nylonseile. Obgleich sie in den Höhlen Spezialhandschuhe trug, waren ihre Hände abgehärtet, wenn sie regelmäßig am Seil hing. Sie war wirklich zu einem Weichei geworden.
Sie untersuchte jeden Knoten in allen Einzelheiten. Wie sie bereits dem Sheriff und Garnett erklärt hatte, handelte es sich um Handfesselknoten und Palsteks, die von einem Stopperknoten gesichert waren. Mit Mühe löste Diane den Stopperknoten. Persönlich benutzte sie einen Achterknoten, wenn sie einen Stopper brauchte. Wer immer Blau gefesselt hatte, benutzte dafür einen Schauermannsknoten, der einem Achterknoten ähnelt, dem aber noch eine weitere Halbwindung hinzugefügt wird. Die weitere Untersuchung zeigte, dass er auch einen Schauermannsknoten an das lose Ende des Palsteks geknüpft hatte, der die Halsschlinge bildete, einen weiteren an das Ende des Roringsteks oder Ankerknotens, den er um den Ast geknüpft hatte, einen an das Ende des Handfesselknotens und einen weiteren ans Ende der Schlinge von den Handfesseln zum Hals des Opfers.
Diane wettete mit sich selbst, dass sie dasselbe Muster auch bei den anderen beiden Opfern finden würde. Dies war zwar noch kein allzu wichtiger Modus Operandi. Trotzdem würde man auf ihn zurückgreifen können, wenn der Sheriff einmal einen Verdächtigen befragen würde.
Auf dem nächsten Tisch lag Grün in seinem durchsichtigen Plastiklagerkasten neben dem Seil, das ihn umgebracht hatte. Sie öffnete die Kästen und holte die Seile heraus. Palstek, Handfesselknoten, Ankerknoten – alle auf dieselbe Weise geknüpft und alle mit einem Schauermannsknoten als Stopper. Sie hatte also recht. Der Täter folgte immer einer ganz bestimmten Gewohnheit, wenn er seine Knoten knüpfte. Sie hatte ein weiteres wichtiges Teil des Puzzles gefunden.
Als sie so dastand, die Knoten betrachtete und sich über ihre Entdeckung freute, erregte etwas am Profil von Grüns Schädel, der ihr aus seinem Plastikbehälter entgegengrinste, ihre Aufmerksamkeit.
14
D iane hatte Grüns Schädel in die Hand genommen und untersuchte nun dessen Gesichtspartie, indem sie mit dem Finger über das lange Nasenbein strich. Der Nasenwurzelpunkt, also die Stelle, an der das Nasenbein auf das Stirnbein trifft und die die Nasenhöhe definiert, war nur schwach eingeschnitten. Die Verbindung von Nasenrücken und Stirnbein bildete eine fast ebene Fläche. Unterhalb der Nasenöffnung war der Nasensporn ziemlich lang. Grün hatte also eine große Nase. Diane fand aber weniger die Größe der Nase als solche interessant als die Tatsache, dass Grün dieselbe Art von Nasenkorrektur wie Blau gebraucht hätte, wenn er sich je zu einer solchen Schönheitsoperation entschlossen hätte. Das war schon ein recht eigenartiges
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