Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)
fallen. Die Ausleuchtung eines solchen Museums war sowieso ein Problem für sich. Licht war zwar notwendig, konnte aber auch eine zerstörerische Wirkung auf die Exponate haben. Aus diesem Grunde mussten Einfallswinkel, Entfernung, Stärke und Art des Lichts exakt geplant werden. Das erforderte mehr mathematische Berechnungen, als die meisten Menschen bei einer angeblich so alltäglichen Sache für möglich halten würden. Auch mussten aus dem Licht die schädlichen UV-Strahlen herausgefiltert werden. Gleichzeitig sollte aber auch eine stimmige Wiedergabe der einzelnen Farbwerte gewährleistet sein. Diane hatte Mitarbeiter, die sich einzig mit Beleuchtungsfragen beschäftigten.
Ihre Schritte klangen regelrecht hohl auf dem Granitfußboden. Als sie durch den Pleistozänsaal ging, fühlte sie sich wie in der Zwielichtzone einer Höhle. Dies war der Bereich, bis zu dem nur noch wenig Licht vom Eingang gelangte und der dann schließlich weiter hinten in völlige Dunkelheit überging. Hier konnte sie nur noch die Umrisse der Skelette von Mammut, Riesenfaultier und Riesen-Kurzschnauzenbär erkennen.
Höhlen sind Orte dramatischer Gegensätze. Einige Räume und Gänge sind so schmal, dass man die Luft anhalten muss, wenn man durchkommen will. Dann wieder könnte Diane ihr gesamtes Museum unterbringen. Die großen Säle der kartierten Höhlen haben oft recht bombastische Namen – Kristallener Ballsaal, Pellucidar, Kathedrale, Großer Ballsaal, Thronsaal oder einfach nur Großer Saal. Diane empfand für ihr Museum genauso viel Zuneigung wie für diese Höhlen. Deshalb wählte sie gewöhnlich die Museumsroute, wenn sie ihr Kriminallabor verließ.
Sie öffnete die riesigen Türen des Pleistozänsaals und kehrte in die große Eingangshalle zurück. Chanell saß nicht am Empfang. Wahrscheinlich drehte sie gerade ihre Runde. Diane schloss die Außentür auf und trat in die heiße Nachtluft hinaus. Ihr Auto stand fast allein mitten auf dem Museumsparkplatz. Als sie darauf zuging, überkam sie plötzlich ein beklommenes Gefühl.
Sie schaute sich um und fragte sich, was dieses Gefühl wohl verursacht haben könnte. Der gesamte Parkplatz war gut beleuchtet. Jenseits davon war es allerdings umso dunkler. Bisher hatte sie das noch nie gestört. Sie musterte noch einmal genau diesen Übergang von Licht zu Dunkelheit und suchte nach etwas, das sie vielleicht unbewusst aus den Augenwinkeln wahrgenommen hatte. Nichts. Sei nicht albern, dachte sie, als sie die Fahrertür ihres Taurus aufschloss.
15
A ls sich die Autotür öffnete, ging automatisch die Innenbeleuchtung an. Sie wollte gerade einsteigen, als sie auf dem Rücksitz einen Strauß Rosen bemerkte. Diane lächelte. Frank musste zurück sein. Sie schaute sich noch einmal auf dem Parkplatz um, konnte aber seinen Wagen nirgendwo entdecken. Warum war er nicht ins Museum gekommen? Sie nahm die Blumen in den Arm und roch an einer der Rosen, einer Knospe, die sich gerade erst geöffnet hatte. Eine schöne Überraschung. Zwischen den Blumen und dem Einwickelpapier steckte eine Karte – kein Name, nur zwei Wörter in großen Druckbuchstaben: FÜR GERECHTIGKEIT.
Franks Seite muss den Prozess gewonnen haben, dachte sie.
Diane setzte sich ans Lenkrad und legte die Blumen auf den Beifahrersitz. Der Duft des Straußes erfüllte das Wageninnere. Trotzdem war das Ganze etwas eigenartig. Es passte gar nicht zu Frank, einfach so ein paar Blumen hinzulegen. Aber vielleicht hatte ihn seine Pflegetochter Star auf diese Idee gebracht. Diane ließ den Motor an und fuhr nach Hause.
Sie wohnte in einem geräumigen alten, neoklassizistischen Gebäude, das in ein Apartmenthaus umgewandelt worden war und viel Charakter und Atmosphäre hatte. Sie stellte die Blumen in eine Vase, kickte ihre Schuhe von den Füßen und stellte sich unter die Dusche. Das kalte Wasser fühlte sich gut an und half auch gegen die Hitze, denn die Hauswirtin hatte noch immer nicht die Klimaanlage reparieren lassen.
Nach dem Duschen schaltete Diane den Deckenventilator an, schlüpfte in ein Nachthemd und begann gerade ihren Radiowecker zu stellen, als sie das rote Blinklicht auf ihrem Anrufbeantworter bemerkte. Sie schlüpfte ins Bett, drückte die Wiedergabetaste und lehnte sich zurück, um ihre Telefonbotschaften abzuhören. Die erste stammte von Frank.
»Hi. Da du nicht da bist, steckst du wahrscheinlich bis über beide Ohren in Arbeit, deshalb rufe ich dich auch lieber nicht auf dem Handy an. Ich bin immer noch in San
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