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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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entschieden. Bestimmt schicken sie den Engländer zurück nach Hause und lassen uns die
Wolkenburg,
und Ursel bleibt im
Kleinen Ochsen
. Ein Richter darf nicht danach entscheiden, wer das meiste Geld hat oder die mächtigsten Freunde, sondern er muss gerecht sein. Er hat eine Verantwortung vor Gott, verstehst du? Deshalb kann uns nichts passieren.«
    »Ja, Mama.«
    »Und jetzt gehst du zu Stingin und hilfst ihr beim Nähen. Es wird bald den ersten Schnee geben, und dann wollen wir den Armen einige geflickte Sachen bringen, auch deinen Wollmantel, weißt du noch, der alte? Sie freuen sich, wenn sie nicht frieren müssen.«
    Das Mädchen nickte und verließ gehorsam die Stube. Kaum war sie außer Hörweite, sagte Agnes: »Wie kannst du das Kind so erschrecken!«
    »Ich habe heute Morgen einen Brief erhalten. Es ist besser, wenn ich dir nicht sage, von wem, aber sei gewiss, er ist zuverlässig. Du kannst den Prozess nicht mehr gewinnen. Doktor Hieronymus Hauser wurde von …« Er zögerte. »… hoher Stelle angewiesen, an dir ein Exempel zu statuieren.«
    Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Sie stotterte: »Ein Exempel? Aber warum? Wer interessiert sich für eine einfache Tuchhändlerwitwe wie mich?«
    »Du kannst nichts dafür, Agnes. Es liegt an deinem Mann. Andreas hat versucht, euren Besitz unangreifbar zu machen, indem er ihn dir überschrieben hat. Er wusste ja, dass man seinen Machenschaften irgendwann auf die Schliche kommen würde. Dann hätte er mit den Schultern gezuckt und gesagt: Ich hab nichts, das gehört alles meiner Frau. Immer öfter übertragen Männer Eigentum an ihre Frauen, um der Haftung zu entgehen. Dein Gerichtsverfahren soll für alle Zeiten klarstellen, dass auch die Ehefrauen für die Anleihen ihrer Männer haften. Hier geht es um viel Geld.«
    »Aber es geht auch um eine einzelne Familie, um Sophie und mich. Wir können uns nicht verkriechen. Wir müssen kämpfen.«
    »Agnes, das ist Irrsinn! Du willst gegen den Kölner Klüngel und das mächtige Ratsgericht kämpfen?«
    »Wenn es notwendig ist, ja. Ich mag eine schwache Frau sein, aber ich habe ein Recht auf mein Leben. Und wenn es sein muss, verteidige ich es gegen die ganze Welt und Luzifers Stadtteufel.«

KAPITEL 9

14. 11. 1534

    In der Nacht zum vierten Verhandlungstag

    E s war kurz nach Mitternacht, als der erste Donner die nachtschlafene Stadt erschütterte.
    Gerlin Metzeler schrak auf und legte die Hand auf ihr rasendes Herz. Es war derselbe Traum gewesen, der Nacht für Nacht seine Klauen nach ihr ausstreckte, seitdem ihre Cousine Agnes Imhoff auf der Anklagebank saß. Sie schüttelte den Kopf und versuchte, das Gefühl der Bedrohung zu vertreiben, doch es wollte ihr nicht gelingen.
    Nun hatte man sie selbst vor Gericht berufen.
    Sie sollte eine Aussage machen, erzählen, was für ein Mensch Agnes war. Gerlin lachte bitter auf. Die Wahrheit würde nicht das bewirken, was man sich von ihr erhoffte. Alle, die nur Agnes’ reines Wesen sahen, die sich an ihrer Schönheit und Anmut berauschten, würden ihr, Gerlin, das Leben zur Hölle machen wollen, wenn sie erzählte, was wirklich geschehen war. Mit Andreas, Charman und mit Agnes. Sie würden Gerlin als undankbar beschimpfen, der Lüge bezichtigen, vielleicht auch der Missgunst. Aber sollte sie deshalb jemanden decken, der auch vor Verrat nicht zurückschreckte, um seine Ziele zu erreichen?
    Sie fröstelte.
    Hannes hatte die Decke ganz zu sich gezogen und um seinen Körper geschlungen. Der Traum hatte ihr dennoch den Schweiß aus den Poren getrieben, nun klebte er kalt an der Haut. Rasch zog sie das klamme Unterkleid über den Kopf, zerrte an der Decke, bis sie genug hatte, um ihren Leib zu wärmen, und starrte ins Dunkel.
    Niemand kannte Agnes besser als sie. Nicht der Anwalt Mathis von Homburg, nicht Stingin, die Magd, und auch nicht die kleine Sophie, die nur die
eine
Seite ihrer Mutter kannte.
    »Du musst ihnen erzählen, was für ein großes Herz sie hat und dass sie niemals jemandem willentlich schaden würde«, hatte Sophie ausgerufen, als Gerlin im Hause Imhoff von ihrer Berufung als Zeugin erfahren hatte. Dabei hatte das Mädchen sie mit großen, rehbraunen Augen angesehen. »Bitte, liebe Tante, sag ihnen die Wahrheit!«
    Gerlin hatte dem Mädchen sanft über das Haar gestrichen. Was wusste sie schon von diesen Dingen? Groß war das Herz von Agnes, zweifellos. Groß wie das einer männerverschlingenden Freya!
    Sie seufzte und sah zu dem kleinen Fensterauslass, hinaus in

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