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Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook

Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook

Titel: Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elif Shafak
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anderen Marktkundin, wie man Babychampignons am besten zubereitete. Was sie dort nicht bekam, kaufte sie auf dem Heimweg im Bio-Supermarkt.
    Samstagabends führte David sie zum Essen aus (meistens in ein japanisches Lokal oder ein Thai-Restaurant), und wenn sie bei ihrer Rückkehr nicht zu müde oder zu betrunken oder einfach zu lustlos waren, schliefen sie miteinander. Kleine Küsse und sanfte Bewegungen, die eher Mitgefühl als Gefühl ausdrückten. Die erotische Anziehung, früher das stärkste Band zwischen ihnen, hatte schon seit geraumer Zeit ihren Reiz verloren. Manchmal schliefen sie wochenlang nicht miteinander. Ella fand es merkwürdig, dass Sex in ihrem Leben einmal eine so wichtige Rolle gespielt hatte; jetzt, ohne Sex, war sie erleichtert, fühlte sich fast befreit. Im Grunde war ihr die Vorstellung, dass ein lange verheiratetes Paar die sinnlich-körperliche Verbindung nach und nach gegen eine verlässlichere und stabilere Art der Beziehung eintauschte, ganz angenehm.
    Das Problem war nur, dass David Sex nicht in demselben Maße aufgegeben hatte wie Sex mit seiner Frau. Sie hatte ihn nie wegen seiner Affären zur Rede gestellt, ihre Vermutungen nicht einmal anspielungsweise geäußert. Dass niemand aus ihrem engeren Freundeskreis etwas davon wusste, erleichterte es ihr, die Ahnungslose zu spielen. Es gab keine Skandale, keine peinlichen Zufälle, nichts, worüber man hätte tratschen können. Es war ihr ein Rätsel, wie er das angesichts der hohen Frequenz seiner Rendezvous mit anderen Frauen – insbesondere mit seinen jungen Zahnarzthelferinnen – hinbekam, aber ihr Mann war diskret und ziemlich gut im Organisieren. Dennoch – Untreue roch nicht gerade nach Rosen. Das wusste sogar Ella.
    Sollten sich die Dinge in einer bestimmten Reihenfolge abgespielt haben, so hätte Ella nicht sagen können, was zuerst kam und was danach folgte. War ihr schwindendes Interesse an Sex für ihren Mann der Grund gewesen, sie zu betrügen? Oder war es genau andersherum? War David zuerst fremdgegangen, woraufhin sie ihren Körper vernachlässigt und ihre Lust verloren hatte?
    Das Ergebnis war in jedem Fall das gleiche: Den Zauber zwischen ihnen, das Licht, das ihnen geholfen hatte, die unbekannten Gefilde der Ehe zu durchqueren und ihr Begehren zu bewahren, gab es schlicht und einfach nicht mehr.
    Drei Stunden lang kreisten ihr nun die Gedanken durch den Kopf, während ihre Hände pausenlos in Bewegung waren. Sie schnitt Tomaten, hackte Knoblauch, briet Zwiebeln an, brachte Sauce zum Köcheln, rieb Orangenschale und knetete Teig für ein Vollkornbrot. Dass sie ein Brot backte, beruhte auf einem wertvollen Rat, den ihr Davids Mutter bei der Verlobungsfeier gegeben hatte.
    »Nichts erinnert einen Mann so sehr an zu Hause wie der Duft von frisch gebackenem Brot«, hatte sie gesagt. »Brot darfst du nie kaufen, du musst es selbst backen. Glaub mir, das wirkt Wunder!«
    Nachdem sie den ganzen Nachmittag hindurch gearbeitet hatte, ging Ella daran, den Tisch wunderschön mit passenden Servietten, Duftkerzen und einem Strauß aus gelben und orangeroten Blumen zu decken, deren Farben so leuchteten, dass sie fast künstlich wirkten. Als Tüpfelchen auf dem i schob sie die Servietten in funkelnde Ringe. Als das Werk vollendet war, sah der Esstisch aus wie auf einem Foto in einem Hochglanzwohnmagazin.
    Erschöpft, aber zufrieden schaltete sie den Fernseher in der Küche ein, um die Regionalnachrichten anzusehen. Eine junge Therapeutin war in ihrer Wohnung erstochen worden, ein Kurzschluss hatte ein Krankenhaus in Brand gesetzt, und vier Highschoolschüler waren wegen Vandalismus verhaftet worden. Ella schüttelte den Kopf angesichts der unzähligen Gefahren auf der Welt. Woher nahmen Leute wie Aziz Z. Zahara die Lust und den Mut, durch die weniger entwickelten Regionen der Erde zu reisen, wenn es nicht einmal mehr in den amerikanischen Vorstädten sicher war?
    Sie fand es verwunderlich, dass diese unvorhersehbare und unergründliche Welt Menschen wie sie in ihre Häuser trieb, während sie bei Menschen wie Aziz fast das Gegenteil bewirkte und sie dazu inspirierte, abseits der ausgetretenen Pfade das Abenteuer zu suchen.
    Um halb acht saßen die Rubinsteins an einem Tisch, der wie gemalt aussah. Die brennenden Kerzen verliehen dem Raum eine fast sakrale Atmosphäre. Hätte ein Außenstehender die Szene beobachtet, er hätte sie für eine perfekte Familie gehalten, fein wie die dünnen Fäden aus Ruß, die sich langsam in der Luft

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