Die Virus-Waffe
kein aktiver Agent.«
Aus den Augenwinkeln sah er, wie Krywald verächtlich
das Gesicht verzog. Die Animositäten zwischen aktiven
Agenten, den vor Ort arbeitenden Soldaten des Geheim-
dienstes, und Analytikern, die am Schreibtisch oder vor
Computerschirmen hockten und dort die Ergebnisse von
143
geheimdienstlichen Einsätzen auswerteten, war allgemein
bekannt.
Jede Abteilung verunglimpfte die Arbeit der anderen,
aber beide hatten ihre Bedeutung. Die Abteilung Wissen-
schaft und Technologie lieferte lebenswichtige Informati-
onen über die Waffen, welche die Gegenseite besaß, aber
ohne die Informationen der HUMINT – der Human Intel-
ligence –, die von aktiven Agenten verdeckt vor Ort ge-
sammelt wurden, hatte man keine Ahnung, auf wen diese
Waffen wahrscheinlich zielen würden.
McCready schaute Elias an und lächelte unmerklich.
»Das stimmt, David. Im Gegensatz zu Roger und Dick
sind Sie kein aktiver Agent. Aber in gewisser Weise sind
Sie das wertvollste Mitglied dieses Teams, und zwar auf-
grund Ihrer anderen Fähigkeiten.«
»Meiner Erfahrung als Taucher?«, vermutete Elias.
»Genau. In der ersten Phase dieser Operation werden
Roger und Dick Ihnen helfen, weil es ohne Sie keinen Ein-
satz gäbe.« McCready hielt inne und betrachtete die drei
Männer nacheinander.
»Bevor wir anfangen, noch ein paar Hausaufgaben. Da-
vid ist, wie er bereits erwähnte, kein aktiver Agent und von daher nur ein Teilnehmer an dieser Mission, der eine spezifische Aufgabe ausführen soll. Aus diesem Grund
braucht er keinen Decknamen. Er kann seinen normalen
Reisepass benutzen und bekommt eine Kreditkarte auf
seinen Namen. Sie beide«, er deutete auf Krywald und
Stein, »reisen unter Decknamen, behalten aber Ihre richti-
gen Vornamen. Wir haben entsprechende Dokumente für
Sie anfertigen lassen. Jeder von Ihnen bekommt drei
144
Decknamen, aber die Operation ist denkbar einfach. Also
dürften Sie kaum mehr als einen benötigen. So weit alles
klar?«
McCready erntete ein dreifaches Nicken. »Gut«, fuhr er
fort. »Die Lage, in der sich die Firma befindet, ist ein wenig ungewöhnlich, und zwar aus vielen Gründen. Damit Sie
das verstehen, gebe ich Ihnen zunächst ein wenig Nachhil-
fe in Geschichte. Diese Operation begann eigentlich vor
dreißig Jahren.« Er machte es sich auf seinem Stuhl gemüt-
lich. »Auf der anderen Seite der Welt.«
Außenbezirk von Matera, Apulien, Italien
Am Nachmittag hatte Richter zwei Einkäufe in einem Ge-
schäft in Brindisi getätigt. Der eine war ein Wetzstein, der andere ein Stilett mit einer zehn Zentimeter langen Klinge.
Nach seiner Rückkehr zum Flughafen hatte er mehrere
Stunden lang die Klinge des Messers bearbeitet, bis sie ra-
siermesserscharf war. Er durfte keinen Fehler machen,
denn eine zweite Chance würde er nicht bekommen.
Als Perini sich jetzt vorbeugte und Lomas musterte, trat
Richter einen Schritt näher an den Gefangenen heran und
zog unauffällig seine rechte Hand aus der Tasche. Er hörte,
wie Simpson herangelaufen kam. Er keuchte aufgrund der
ungewohnten körperlichen Anstrengung.
Lomas sah Richter an und versuchte verzweifelt, ihn
einzuordnen. Plötzlich blitzte so etwas wie Erkennen in
den Augen des Russen auf.
»Hallo, Andrew«, sagte Richter. »Oder ist dir Alexei lie-
145
ber? Erinnerst du dich an mich?« Er handelte, noch wäh-
rend er das letzte Wort aussprach. Er war zu schnell, als
dass Perini, Simpson oder einer der DCPP-Beamten ihn
hätten aufhalten können. Sein rechter Daumen hatte auf
dem Knopf des Stiletts gelegen, während er sprach. Jetzt
drückte er ihn, die tödlich scharfe Klinge sprang heraus
und rastete ein. Mit einer flüssigen Bewegung drehte Rich-
ter das Messer mit der scharfen Seite nach oben, riss den
Arm hoch und stieß ihn nach vorn.
Die Klinge drang mühelos durch Lomas’ Hemd und
unmittelbar über dem Nabel bis zum Griff in seinen
Bauch. Der Russe riss den Mund auf und holte tief Luft,
doch bevor er losschreien konnte, zog Richter das Messer
mit aller Kraft nach oben. Die Spitze der Klinge verletzte
die lebenswichtigen Organe direkt über seinem Zwerchfell.
»Ich helfe deinem Gedächtnis ein bisschen nach, du
Schwein«, zischte Richter unmittelbar an Lomas’ rechtem
Ohr. »Raya Kosov, West London. Du hast sie in Stücke ge-
schnitten. Das hier ist die Quittung.«
Jetzt erst schrie Lomas. Sein Schmerzensschrei hallte
von den Wänden des Tales und den Mauern der Villa
Weitere Kostenlose Bücher