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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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mir denn für mein Leben garantieren?« wollte der Kaufmann mit einem abfälligen Lächeln wissen.
    Der Bader hob die Brauen. »Nun, von elf Schnitten, die ich ausgeführt habe, gelangen mehr als die Hälfte.«
    »Zu wenig«, erwiderte der Kaufmann kalt. »Außerdem plagen mich zur Zeit andere Sorgen.«
    »Wenn der Rat nur ein Einsehen hätte«, sinnierte der Bader unbeeindruckt, »in anderen Städten darf man die Operationen an Hinrichtungskandidaten üben. Nur zwei–, dreimal bedürfte ich dieser Gelegenheit, um meine Fingerfertigkeit zu erhöhen. Als dem letzten König von Frankreich beim Turnier eine Lanzenspitze ins Auge gefahren war, übten die Chirurgen bei neun Todgeweihten den schwierigen Eingriff.«
    »Der König ist lange tot.«
    »Gewiß, er starb, ein Wundfieber raffte ihn nach dem Eingriff dahin, aber welch nützliche Erkenntnisse konnten seine Chirurgen dabei gewinnen.«
    »Nimm die Schröpfköpfe ab. Ich brauche meine Kräfte heute noch.«
    Der Bader gehorchte und löste die Gläser, das Blut quoll langsamer, zog sich – vom Sog befreit – schließlich wieder ganz in die Venen zurück. Der Bader öffnete einen Salbentiegel und bestrich die Wunden, dann legte er Pflaster aus Flachsfasern auf. »Nun noch ein Glas kräftigen, roten Wein, und Ihr werdet frisch wie ein Jüngling sein. Soll ich Euch den Bart noch stutzen?«
    Ein Klopfen unterbrach das Gespräch. »Herr«, rief draußen vor der Tür einer der Angestellten, »Herr, ein Brief ist eingetroffen. Aus den Niederlanden. Ich fürchte, es handelt sich um eine schlechte Nachricht. Ein Eilbote überbrachte ihn am Morgen. Es geht um die Fracht nach Antwerpen. Sie ist verloren.«
    »Ich bin nicht allein.« Van Geldern brachte mit scharfer Stimme den voreiligen Jüngling zum Schweigen.
    Dann erhob er sich hastig und bereute es sofort. Der Blutverlust ließ solch plötzliche Bewegungen nicht zu. Ihn schwindelte, und zu seinem Unwillen mußte er die Hilfe des Baders annehmen, um aus der hohen Zinkwanne zu steigen. Statt dem Mann zu danken, herrschte er ihn an: »Bringt mir meinen Mantel und laßt Euch von einem der Knechte entlohnen. Aber wagt es nicht, auch einen Bartschnitt zu berechnen!«
    »Aber, mein Herr van Geldern«, protestierte der Bader, während er dem Kaufmann den pelzverbrämten Morgenrock reichte.
    »Ich kenne Euresgleichen, nicht umsonst gilt Eure Zunft als zwielichtig und Euer Handwerk als unrein. Geht und sagt dem Schreiber vor der Tür, daß ich ihn noch vor der Messe in meinem Kontor erwarte.«
    Als der Barbier die Badestube verlassen hatte, griff van Geldern nach einem goldgerahmten Handspiegel.
    Ein Brief aus den Niederlanden. Er musterte sein bleiches Antlitz mit befriedigtem Blick. Und schlechte Nachrichten dazu!
    Er lächelte und lobte sein Spiegelbild: »Du hast noch nichts verlernt, alter Fuchs.«
    Weniger Freude herrschte derweil im Schlafgemach Columbas. »Oh, welch ein Unglück, was für ein Bubenstück. Betrogen vom eigenen Angestellten. Ich mag es kaum glauben. Was für ein Teufel, dabei hatte er ein solches Engelsgesicht. Nie hätte ich ihm das zugetraut, aber Satan wählt sich immer die unschuldigsten Mienen, um sich dahinter zu verbergen.« Mertgin wischte sich mit dem Rockzipfel eine Träne aus den Augenwinkeln. Natürlich hatte sie den Brief gelesen, den der Schreiber in seiner Aufregung achtlos geöffnet auf dem Tisch im Morgensaal hatte liegen lassen, um sofort den Hausherrn zu informieren.
    »Wie gut nur«, stellte Mertgin jetzt befriedigt fest, »daß ihn sogleich die gerechte Strafe ereilt hat. Wobei der Tod durch eine Kugel noch zu gut für ihn ist. In der Hölle soll er schmoren, Euren Vater so hinters Licht zu führen. Pulver hat er geschmuggelt und«, sie hielt inne, um ihr Entsetzen zu zügeln, »Ketzer befreit.« Sie schlug ein Kreuz und atmete ruhiger.
    Dann fiel ihr Blick auf Columba. Starr saß das Mädchen auf der Kante ihres Bettes. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, sie war weißer als die Laken auf ihrem Bett.
    Mertgin faßte sich. »Mein Kind, fürchtet Euch nicht. Bedenkt nur, Euer Vater ist nun frei von jedem Verdacht. Niemand kann noch annehmen, daß er etwas mit der Explosion im Grevenkeller zu schaffen hatte. Gott hat die Gerechtigkeit siegen lassen. Lobt den Herrn, den einzigen, wahren Gott, der es nicht zuläßt, daß Götzendiener und Antipapisten ihm die Herrschaft auf Erden streitig machen. Freut Euch, Columba, freut Euch, alles wird gut. Lazarus ist tot, und Ihr werdet morgen eine

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