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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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Ge­fäß auf­zu­fan­gen. „Man darf das hei­li­ge Blut nicht auf den Bo­den flie­ßen las­sen!“
    „Wer zum Teu­fel bist du denn?“ frag­te Lon­gi­nus, der sich das Ge­sicht ab­wisch­te und mit den Au­gen zwin­ker­te.
    „Ich bin Jo­seph … ein in­ter­es­sier­ter Pri­vat­mann. Ich ha­be dort drü­ben in ei­nem Fel­sen … ei­ne Grab­stät­te. Wenn ihr mich den Leich­nam dort be­stat­ten laßt …“
    Lon­gi­nus dach­te nach. „Oh, schon gut. Hier, ich hel­fe dir, ihn her­ab­zu­be­kom­men.“ Wie­der zwin­ker­te er. „Der Tag wird si­cher noch schön. Ich ha­be schon lan­ge nicht mehr al­les so deut­lich se­hen kön­nen.“
    „Laßt uns von die­sem üb­len Ort fort­ge­hen“, sag­te Je­sus. Bru­der Paul ge­horch­te nur zu ger­ne.
    Un­ter Je­su Füh­rung ging Bru­der Paul zum ge­gen­wär­ti­gen Auf­ent­halts­ort von Ma­ria Mag­da­le­na. „Ich bin ein Freund von Je­sus“, sag­te er zu der be­trüb­ten Frau. „Ich bin spät ge­kom­men und ha­be kei­ne Blei­be.“
    Sie zö­ger­te und be­trach­te­te ihn ein­dring­lich. Sie war bei der Kreu­zi­gung da­bei­ge­we­sen; nun er­kann­te er sie. Aber sie hat­te nur Au­gen für Je­sus ge­habt. Dann mach­te sie oh­ne ein Wort ei­ne ein­la­den­de Hand­be­we­gung und wies ihn in den über­füll­ten Raum. Ma­ri­as Freun­din, eben­falls mit Na­men Ma­ria, und ei­ni­ge Jün­ger wa­ren da, aber Je­sus gab sich nicht zu er­ken­nen. „Ich lei­de durch ihr Leid“, sag­te er zu Bru­der Paul, „aber es ist noch nicht an der Zeit.“
    Sie ruh­ten den gan­zen Sab­bath über, wie es bei den Ju­den Vor­schrift war. „Du weißt“, sag­te Bru­der Paul zu Je­sus, „zu mei­ner Zeit ru­hen wir am Sonn­tag, dem ers­ten Tag der Wo­che. Ich glau­be, die­ser Brauch stammt aus ei­ner Be­rich­ti­gung des Ka­len­ders ir­gend­wann.“
    „Wie man den Tag nennt, spielt kei­ne Rol­le“, mein­te Je­sus, „so­lan­ge man einen Tag von sie­ben nimmt, um mei­nen Va­ter zu eh­ren.“
    Sie schlie­fen ein, denn al­les war sehr er­mü­dend ge­we­sen. Bru­der Paul hat­te einen Alp­traum mit De­mü­ti­gun­gen und Ago­nie und er­wach­te mit der Er­kennt­nis, daß die­se Lei­den nicht ihm, son­dern den Ge­dan­ken Je­su ent­stamm­ten. Son­der­ba­rer­wei­se war der Durst am schlimms­ten ge­we­sen, nicht die Nä­gel oder der Spott.
    Als der Abend kam, weck­te Je­sus Bru­der Paul. „Komm, wir müs­sen zum Grab.“
    Ru­hig mach­ten sie sich auf den Weg, ver­lie­ßen den Raum, dann die Stadt und gin­gen zur Schä­del­stät­te, wo man Je­su Leich­nam in ei­ner Grab­höh­le ver­sie­gelt hat­te. Die Nacht senk­te sich be­reits her­ab, und die Wa­chen am Tor blick­ten Bru­der Paul neu­gie­rig an, weil nur we­ni­ge Leu­te des Nachts die Stadt ver­lie­ßen.
    Plötz­lich zit­ter­te die Er­de. Ein wei­te­res Erd­be­ben! Bru­der Paul wur­de zu Bo­den ge­schleu­dert … doch bald dar­auf be­ru­hig­te sich der Bo­den wie­der. Paul hat­te nur ein paar Ab­schür­fun­gen be­kom­men und war schmut­zig ge­wor­den. Sie gin­gen wei­ter.
    Das Be­ben hat­te noch wei­te­ren Scha­den an­ge­rich­tet. Der große Stein, den man vor den Gra­bein­gang ge­rollt hat­te, war bei­sei­te ge­wor­fen wor­den. „Dan­ke, Va­ter“, sag­te Je­sus. Dann zu Bru­der Paul ge­wandt: „Wir müs­sen den Kör­per fort­neh­men und ir­gend­wo ver­gra­ben, wo ihn nie­mand fin­det.“
    Bru­der Paul stell­te kei­ne Fra­gen. Wenn er ein­mal be­gin­nen wür­de, Fra­gen zu stel­len, wür­de er nie wie­der auf­hö­ren. Er be­trat die stil­le Grab­kam­mer.
    Dort lag der Leich­nam, durch das Be­ben hoch­ge­schleu­dert, häß­lich. Bru­der Paul faß­te sich ein Herz und be­rühr­te ihn, wi­ckel­te die Tü­cher ab und schlepp­te ihn aus dem Grab. Er ver­such­te, die Na­se ge­gen­über dem ver­meint­li­chen Ge­ruch zu ver­sper­ren. Er schlepp­te ihn un­ter ein Ge­büsch im Gar­ten, fand dann ein ge­eig­ne­tes Stück Ge­stein und schau­fel­te ein so tie­fes Grab, wie er nur konn­te. Im Dun­keln be­deu­te­te dies müh­se­li­ge Ar­beit, und je­des Mal, wenn er ein Ge­räusch zu ver­neh­men glaub­te, hielt er in­ne, wag­te kaum zu at­men, aus Angst, die Wa­chen wür­den zu­rück­keh­ren. Sie wa­ren

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